Lars Oberhaus/ Christoph Stange (Hg.)
Musik und Körper
Interdisziplinäre Dialoge zum körperlichen Erleben und Verstehen von Musik
Der Titel ist großzügig gefasst und lässt erst einmal eine Fülle von Möglichkeiten der Herangehensweisen und Betrachtungen offen. Worum geht es hier? Um Tanz oder Gesang? Um Instrumentalpraxis oder Musikerleben? Um Tun oder Hören? Geht es um Bewegung oder Bewegtheit? Bei einem Kongress im März 2016 in Delmenhorst trafen sich Vertreter der Musikpädagogik, Tanzwissenschaft und Musikpsychologie und trugen Aspekte aus der Instrumentalpädagogik, der Anthropologie, der Musikwissenschaft und der Musikethnologie zusammen.
Im Kongressband werden eine Vielzahl von Theorien und Ansätzen wissenschaftlich aufbereitet, aber auch auf die Praxis zurückgeführt. Fallbeispiele aus dem Schulunterricht, experimentelle Projektarbeiten oder Beobachtungen aus der Musikalischen Früherziehung dienen der direkten Veranschaulichung. So wurde zum Beispiel die Arbeit einer Gruppe von Jugendlichen ausgewertet, die eine musikalische Form in Bewegungsabläufe umsetzen sollten, wobei es zu eindeutig geschlechtsspezifischen Erkenntnissen kam.
Die Fragestellungen sind vielseitig: Was hat Erleben mit Erfahrung zu tun? Wie wirkt sich Musikgeschmack auf die Rezeption aus? Und was verbindet das moderne Tanztheater mit dem Spiel als solchem?
Bevor jedoch Lösungswege zu diesen Fragen angeboten werden, um sie nicht zuletzt der Pädagogik und ihren Methoden nutzbar zu machen, wird die Begriffsbestimmung an den Anfang gestellt: Was ist ein Körper, was ist eine Seele bzw. kann man beide überhaupt auseinanderdividieren? Über die Definitionen geht es zum Teil weit hinaus: Phänomene und scheinbar klare Begriffe für Sichtbares und Unsichtbares werden noch einmal zerlegt. Welche Abstufungen von Verstehen gibt es? Welche Qualitäten von Wahrnehmung können erreicht werden und aufgrund welcher Prozesse? Ist der Körper ein Werkzeug, um beispielsweise ein Musikinstrument korrekt seiner Bestimmung zuzuführen? Oder ist er doch auch ein direkter Träger von Wissen, das veränderbar wird im sozialen Gefüge und dessen Ausdruck in der Kommunikation mit anderen entwickelt wird? Wie viel ist unbewusst? Wie viel Anschauung bedarf es bei der Umsetzung musikalischer Phänomene? Welche Verknüpfungen stehen dahinter?
Für alle, die sich mit dem Phänomen Körper, Geist und Seele in Bezug auf die Musik auseinandersetzen wollen, bietet das Buch sicherlich einen erkenntnisbringenden Fundus, denn hier werden überlieferte Überzeugungen und Tatsachen aus Wissenschaft und Praxis differenziert betrachtet und feinstofflich beschrieben. Man muss sich jedoch weitestgehend auf eine sehr wissenschaftliche Diktion einlassen. Der besondere Wert dieser Sammlung liegt sicherlich in der Überschreitung und Zusammenführung unterschiedlicher Disziplinen unter Berücksichtigung bestehender und weiterentwickelter, aber auch hinterfragter Theorien. <
Sabine Kreter