Utz, Christian (Hg.)
Musik und Globalisierung
Zwischen kultureller Homogenisierung und kultureller Differenz, musik.theorien der gegenwart 1
Das Thema ist mehr als en vogue. Und nachdem andere Künste und Kunstwissenschaften (wie immer) schneller waren, haben nun auch die Musiktheoretiker das Phänomen der Globalisierung als Thema für sich entdeckt. Die leichte Verspätung mag den technischen Grund haben, dass auch das eher regelhaft eines der zentralen Problemfelder der aktuellen Globalisierungsdebatte für Musik erst verspätet relevant wurde: das Internet als Versorgungsmedium mit Klingendem.
So kann das Symposium zu Musik und Globalisierung, das die Kunstuniversität Graz im Oktober 2006 veranstaltet hatte, durchaus als Pioniertat verstanden werden; insbesondere da es sich wie der eben erschienene Tagungsband bestens demonstriert ein großes Stück über den Anspruch des Modischen erhebt und vielmehr den Gegenstand frontal und grundsätzlich als überzeitliches und ernst zu nehmendes Problem für musiktheoretische Auseinandersetzung angeht.
Vor allem sind es die Grundsatzreferate, die Eingang in die Diskussion finden sollten und mit denen eine weiterführende Auseinandersetzung lohnt. Besonders Martin Wimmers anschauliche Überblicksdarstellung Vom Umgang mit kulturellen Differenzen in der Philosophie demonstriert an historischen wie aktuellen Beispielen Modelle zur Interpretation von Selbst- und Fremdbildern und stellt unterschiedliche Zentrismusbegriffe einander gegenüber. Ein Desiderat stellt zweifelsfrei auch der Problemaufriss von Christian Utz dar, der in historischer wie ästhetischer Perspektive kulturelle Differenz quasi als handwerklich-kompositorische Kategorie erscheinen lässt. Ansonsten setzen die Analytiker vor allem einen thematischen Akzent bei Hans Zender und seiner Musik. Der Komponist mischt sich auch aktiv in die Diskussion ein.
Ob am Ende die Auseinandersetzung mit der abendländischen Perspektive auf das Andere vielleicht ein wenig übergewichtig ist, bleibt Geschmackssache. Auf jeden Fall springt ins Auge, welche Präsenz im Kulturenvergleich doch eine West-Ost-Achse hat. Und letztlich gelingt es den im engeren musikwissenschaftlichen Diskurs verankerten Autoren auch nur in Einzelfällen, eine musikwerkzentristische Perspektive zu verlassen. Für ein so weit gestecktes Thema ist das schade, aber für den Beginn einer Auseinandersetzung auch nicht verwunderlich.
Ein Bändchen, das das Nachdenken lohnt, das einen Anfang macht, über den musikalische und musikalisch-theoretische Reflexion natürlich noch weit hinausgehen muss: äußerst lesenswert, wenn auch in den Beispielanalysen des Öfteren sehr speziell und detailverliebt.
Tatjana Böhme-Mehner