Heesch, Florian / Katrin Losleben (Hg.)
Musik und Gender
Ein Reader
Wozu dient dieser Reader? Wer sich in der Vergangenheit bereits für die Thematik Musik und Gender auch nur annäherungsweise interessiert hat oder wer bereits aktiv nach Komponistinnen oder der Rolle der musizierenden Frau fragte oder wer den Forschungsbereich Musikwissenschaft und Geschlecht gar selbst schon bearbeitet hat, kennt den einen oder anderen Artikel aus dem vorliegenden Band bereits. Doch selbst wer schon lange auf diesem Themenfeld unterwegs ist, kennt sicher nicht alle Aufsätze, die teilweise weit in die Vergangenheit der Musik-und-Gender-Forschung zurückreichen, wie z.B. der von Judith Rosen, Warum wurden Frauen nie große Komponistinnen?, von 1973. Die meisten Artikel sind aus den 1990er Jahren und dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts, also allgemein zugänglich.
Die Artikel des Readers finden sich in den fünf Hauptkapiteln, den fünf Hauptfeldern musikwissenschaftlicher Genderforschung entsprechend: I. Musikwissenschaft und Geschlecht (mit Auszügen aus Arbeiten von Eva Rieger, Susan McClary, Leo Treitler, Judith Rosen und Marcia J. Citron), II. Musikgeschichte (hier sind Annette Kreutziger-Herr, Susanne Rode-Breymann, Christine Ammer, Melanie Unseld und Simon Frith und Angela McRobbie vertreten), III. Biografik (Beatrix Borchard und Jane Bowers), IV. Analyse und Autorschaft (Ruth A. Solie, Carolyn Abbate, Richard Middleton, Annegret Huber) und V. Körper und Performanz (Freia Hoffmann, Robert Walser und Susanne G. Cusick).
Der besondere Verdienst der Herausgeber ist zum einen die durchdachte Zusammenstellung dieser grundlegenden Musik-und-Gender-Schlüsseltexte. Schlüsseltexte sind sie alle, weil sie bei Erscheinen einen Sachverhalt erstmals beleuchtet, eine Frage neu formuliert oder die bisherige Musikwissenschaft gegen den Strich gebürstet haben oder eine Diskussion in Gang brachten. Dazu gehören auch einige englischsprachi-
ge Artikel, erstmalig ins Deutsche übersetzt. Zum anderen, und das ist die eigentliche Leistung der Herausgeber, wird die Sammlung zum Reader durch die Einordnung, Kommentierung und Erläuterung der Artikel aus heutiger Sicht mit heutigem Forschungsstand in den Kontext und die Publikationsgeschichte. So findet sich beispielsweise die Erklärung, warum Sophie Drinkers Buch Music and Women von 1948 zunächst keine allzu große Beachtung fand, sondern erst der sogenannte Second Wave Feminism wirklichen Schwung in die musikwissenschaftliche Frauenforschung brachte. Die Einleitung und die jeweils ca. drei- bis fünfseitigen Einführungen genauso wie das alle Artikel umfassende Stichwortregister helfen beim Auffinden und Entwickeln neuer Blickwinkel und Aspekte.
So dient das Buch zum einen als idealer Einstieg für Studierende oder einen Personenkreis, der sich bisher mit der Thematik noch zu wenig beschäftigt hat, es dient aber auch dem Musik-Gender-Spezialisten als hervorragende Ergänzung und Kompilierung zu bereits bekanntem Material.
Viola Karl