Braun, Peter Michael

Musik überlebt

Teil II: 1981-1989

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Synergia, Roßdorf 2014
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 69

Der 1936 geborene Komponist Peter Michael Braun studierte u.a. bei Frank Martin, Bernd Alois Zimmermann, Giselher Klebe sowie Herbert Eimert. Von 1978 bis 2001 lehrte er als Professor für Komposition und Musiktheorie an der Musikhochschule Heidelberg-Mannheim. In jungen Jahren besuchte er mehrfach die Darmstädter Ferienkurse und versuchte sich auch an Arbeiten, für die Begriffe wie z.B. Atonalität, Zwölftontechnik und Aleatorik charakteristisch sind. Ende der 1960er Jahre entschied er sich zu einer Umorientierung, die ihn – auf der Suche nach einem persönlichen Kompositionsstil – zurück zu einer auf Dur/Moll basierenden Harmonik führte.
Bereits frühzeitig begann Braun ein Tagebuch zu planen, indem er skizzenhaft Notizen über Komponisten, Entwicklungen im Fach Komposition und nicht zuletzt über eigenes Arbeiten und Denken niederschrieb. Unter dem mehrdeutigen Titel Musik überlebt veröffentlichte er 2007 einen Band über die Jahre 1956 bis 1980. Die hier vorliegende Fortsetzung umfasst den Zeitraum von 1981 bis 1989.
Das Buch lässt sich – angesichts vieler angedachter Einfälle – eher in kleineren Abschnitten lesen als in fortlaufender Gestalt. Hilfreich ist das Personenregister, das aufführt, welche Persönlichkeiten auf welchen Seiten erwähnt werden. Außer Meistern des Wortes wie Goethe und Eichendorff bringt der Autor im Wesentlichen berühmte Komponisten wie Bach, Beethoven, Mozart, Wagner, Mahler, Skrjabin und Schönberg zur Sprache. Von diesen Altmeistern ist Schönberg derjenige, den Braun am wenigsten schätzt.
Überraschend ist Brauns Einschätzung des Begriffs „Kontrapunkt“, wenn er am 29. Mai 1988 schreibt: „Kontrapunkt. Eine persönliche, unerfreuliche Hochschul-Geschichte. Kann man einen Studenten der Musik mehr züchtigen als auf diesem Gebiet? Wo eigentlich Göttliches freigesetzt werden sollte, wird der Weg mit Regeln verbarrikadiert, deren Übertretung wie ein Sakrileg beanstandet wird…“ Zu Schönberg konstatiert er: „Schönbergs Musik ist wie Hexenjagd. Man weiß nicht, ob er festhalten oder vertreiben will.“ Oder: „Ich höre Schönberg und denke: negative Kraft, Musik des ,eisernen Zeitalters‘, Minus-Emotion.“
Noch weniger schätzt er bedeutende berühmte Komponisten seiner eigenen Generation wie z.B. Karlheinz Stockhausen und Helmut Lachenmann. Über Letzteren verkündet er im Anschluss an sein voriges Zitat zu Schönberg: „Und Lachenmann: ästhetischer Amoklauf, der in Apathie
endet, oder in Gemeinplätzen der Anarchie sich schier endlos ergeht.“
Leider fehlt dem Verfasser die Einsicht, dass Erfolg auch etwas mit Qualität zu tun haben kann. Er verschätzt sich, wenn er an anderer Stelle feststellt: „Ich bin nicht einer der wenigen, die gute Musik schreiben können. Wohl aber derzeit einer der wenigen, die es tun.“
Peter Roggenkamp