Schostakowitsch, Dmitri

Musik für Violine und Klavier

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Apollon Classic apc 20104
erschienen in: das Orchester 10/2005 , Seite 87

Eine stachligere, abweisendere Violinsonate als Dmitri Schostakowitschs op. 134 dürfte wohl kaum je geschrieben worden sein. Das Werk enstand 1969, zu einer Zeit, als der Komponist es nicht mehr nötig hatte, Kompromisse mit der sowjetischen Kulturpolitik einzugehen bzw. er dies einfach nicht mehr wollte. Zwölftonreihen prägen die thematische Physiognomie der Sonate, ohne dass diese nach Art der Reihentechnik behandelt werden. In
einigen Passagen, besonders im ersten Satz, scheint es, als würde die Musik grüblerisch auf der Stelle treten, als würde sie sich nicht trauen, die Gefilde eines ausweglosen, fatalistischen Sarkasmus zu verlassen, in der Gewissheit, dass es außerhalb dessen auch keine Freiheit geben kann. Und einen derart frenetischen musikalischen Wutausbruch wie das an zweiter Stelle stehende
Allegretto findet man im Œuvre Schostakowitschs allenfalls in einigen der späten Quartette und in der zeitgleich zur Sonate entstandenen 14. Sinfonie.
Jörg Faßmanns Interpretation dieses dunklen Bekenntniswerks mutet relativ verhalten an. Wo andere, etwa der Widmungsträger David Oistrach oder in jüngerer Zeit Daniel Hope, zu emotionalen Extremen greifen, bescheidet sich Faßmann mit einer zuverlässigen, relativ sachlichen Realisation des Notentexts. Das muss kein Nachteil sein und Faßmanns Konzept zeitigt sowohl im Kopfsatz als auch vor allem im Finale positive Resultate. Er verzichtet darauf, die schattenhafte Atmosphäre des einleitenden Andante ins Gespenstische auszudehnen, betont stattdessen den resignativen Gehalt der Musik und lässt aus ihr so etwas wie eine hoffnungsenttäuschte Lyrik sprechen. Dass er sich für den dritten Satz viel Zeit nimmt, kommt dem Spannungsaufbau dieser gigantischen Passacaglia ebenso zu Gute wie der Charakterzeichnung der einzelnen Variationen.
Der Pianist Gunther Anger ist ihm hier ein ebenbürtiger Partner. Lediglich das zentrale Allegretto enttäuscht etwas; Agogik und Tempowahl gehen nicht an die Grenzen, die man eigentlich sogar überschreiten müsste, um die schiere Verzweiflung dieser Musik angemessen hörbar zu machen.
Als Zugabe gibt es die Präludien op. 34 in einer Bearbeitung von Dmitri M. Zyganow, dem Primarius des Beethoven-Quartetts und langjährigen Freund Schostakowitschs. Zyganow wählte 19 der insgesamt 24 Stücke aus und veränderte die ursprüngliche Reihenfolge; den Schluss bildet jetzt nicht mehr das verhalten tänzerische Allegretto der Nummer 24, sondern, im Sinne eines effektvollen Schlusses, die Nummer 20 im gnadenlosen Allegretto furioso. Schostakowitsch selbst war übrigens von der Violinfassung Zyganows begeistert und gab ihr seinen Segen.
Faßmanns und Angers Freude an diesen bald verträumten, bald sarkastischen, doch stets von gutwilliger Musizierlust beseelten Miniaturen teilt sich unmittelbar mit; wie in ihrer Interpretation der Sonate sind es die lyrischen, nachdenklichen Momente, die den stärksten Eindruck hinterlassen. Doch auch dem tänzerischen Elan der bewegteren Stücke bleiben die beiden Musiker nichts schuldig.
Thomas Schulz