Schmid, Manfred Hermann
Mozarts Opern
Ein musikalischer Werkführer
In der interessanten und instruktiven Reihe C.H. Beck Wissen ist im Themenbereich Musik ein dicht, vielseitig und mit bewundernswerter Kompetenz verfasstes Bändchen über Mozarts Opern erschienen. Der Autor, Ordinarius für Musikwissenschaft an der Universität Tübingen, schöpft aus dem Fundus seines umfassenden Mozart-Wissens und -Verstehens und fasst eine Fülle wesentlicher, oftmals überraschender Details in verständlicher Sprache komprimiert zusammen.
Er beginnt mit allgemeinen Bemerkungen zu Mozarts Bühnenwerken, den Sprachen ihrer Libretti und ihrer Zuordnung zu den zeittypischen Gattungen und schließt daran höchst lesenswerte Beschreibungen des damaligen Opernbetriebs, der Texte, der Stoffe, der Bühnenbilder und der Sänger an, immer im Blick auf Mozart und sein von Jugend an engagiertes und kreatives Verhältnis zur Oper. Es folgt eine Erläuterung der historisch relevanten Opernformen und -techniken (Arien, Rezitative, Ensembles, Chöre) einschließlich eines längeren Abschnitts über Mozarts Orchester, der selbst Kennern neue und teils verblüffende Einblicke in die Zusammenhänge von textlich-dramatischen Situationen und der präzise auf sie abgestimmten Instrumentierung vermitteln dürfte.
Nach diesen ausführlichen einleitenden Darstellungen folgen detaillierte Einführungen in die letzten sieben Opern Mozarts. Sie gliedern sich in drei Kapitel: Opera seria (Idomeneo, Titus), Opera buffa (Figaro, Don Giovanni, Così fan tutte) und Deutsche Oper (Entführung, Zauberflöte), die zugleich erhellende Blicke auf die vorangehenden Werke der jeweiligen Gattung werfen.
Was alles zur Sprache kommt und mit welcher Eleganz und Transparenz es dargeboten wird, kann man nur bewundern. Allein die Inhaltsangaben, an sich nur ein Vorspann zum Eigentlichen, liest man, da sie geistreich das Schablonenhafte üblicher Operneinführungen vermeiden, mit steigendem Vergnügen. Entscheidender aber sind die Abhandlungen über die Kompositionen selbst, die stete Balance zwischen einer Fokussierung auf textliche, musikalische und musikdramatische Elemente und deren Einordnung in übergeordnete Gesichtspunkte, Fragestellungen und Wertungen, besonders dort, wo es um die Erweiterung der Gattungsgrenzen, um Gattungssymbiosen und um die Überwindung traditioneller Vorbilder geht. Als ein Beispiel hierfür sei lediglich auf die großartige Besprechung des Idomeneo verwiesen, die auf zahlreiche wesentliche und originelle Züge gerade dieser etwas weniger bekannten Oper aufmerksam macht.
Mit Nachdruck ist zu betonen, dass Schmids musikalischer Werkführer kein Opernführer im herkömmlichen Sinne ist. Und man spürt überall, dass er es auch gar nicht sein will. Denn er setzt, obgleich klar und ohne elitäre Schnörkel formuliert, auf völlig anderem Niveau an. Daher kann man das Büchlein zwar auch denjenigen empfehlen, die zum ersten Mal eine der besprochenen Opern besuchen wollen. Aber mit vollem Genuss wird es erst jemand lesen, der sie bereits kennt. Und selbst der enthusiastischste Verehrer der Bühnenwerke Mozarts wird staunen, was er darüber noch erfahren kann.
Peter Schnaus