Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Ilja Ruf

Mozart’s Night Train

Trio ClariNoir: Ivo Ruf und Nikolai Gast (Klarinette), Ilja Ruf (Klarinette, Klavier)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: gpArts
erschienen in: das Orchester 7-8/2024 , Seite 75

Drei gut gelaunte junge Männer im feinen schwarzen Zwirn und ein Mozart-Double vor einer alten Dampf­lok kommen auf den Betrachter des Covers zu. Gibt es nun Musik für Eisenbahnfreunde, die im Nachtzug der Musik Mozarts lauschen? Eine kleine Nachtmusik arrangiert für das Trio ClariNoir? Zum Glück nicht!
Außergewöhnlich ist das Booklet: Es entpuppt sich als ein siebenseitiges Leporello mit Collagen der bildenden Künstlerin Eléonore Dadoit Cousin und verrät die Konzeption der CD Mozart’s Night Train. Eine surreale Bahnfahrt führt in sieben bebilderten und mit Grenzen überschreitender Musik gefüllten Waggons nach Brooklyn – mit dem Zaungast Mozart.
Das Trio ClariNoir in der Formation Klarinettenduo und Klavier steigt mit rhythmischer Verve und makellos virtuosem Spielvergnügen mit Musik aus der Feder von Ilja Ruf in den Zug ein und versetzt die mitfahrenden Hörer:innen in die Welt der Klezmer-Musik und des Jazz. Im nächsten Waggon erinnern sich die Brüder Ivo und Ilja an den „Tango-Maestro“ Raúl Jaurena, den sie seit ihrer Kindheit kannten, da ihr Vater lange Jahre mit ihm und später auch mit ihnen selbst gespielt hatte. Ilja hat dafür Adios Maestro geschrieben.
Im dritten Wagen tritt Mozart auf: Aus seiner unsterblichen Oper Die Hochzeit des Figaro werden nun als arrangiertes Klarinetten-Trio die (Ersatz-)Arie Ah desio, di chi Itadora KV 577 und die Arien Voi che sapete und Non più andrai geschmackvoll geblasen. Danach hat Ilja wieder zur Feder gegriffen und ein eigenes Klarinetten-Trio beigesteuert – eine apa’rte, mit viel Klangsinn ausgestattete sechssätzige Suite, die in den kurzen Sätzen verschiedene traditionelle Satztypen mit neuem Inhalt füllt: Auf ein Prelude folgt ein ausgeziertes Larghetto. Im Blues geht es sehr lebhaft zu, während die experimentellen Ansätze im Lied allzu schnell vergehen. Ein Canon und die Reprise des Preludes runden die Satzfolge ab. Auch in den folgenden Waggons kommt nur noch die Musik Iljas zu Gehör: Le petit coquin denkt an den „kleinen Schlingel“ Mozart und die Musiker toben sich mit perfektem Zusammenspiel und Improvisationen auf dem Klavier aus. Märchenhaft geht es im vorletzten Waggon mit dominantem Klezmer-Sound in Maribella zu, bevor zum Schluss Ilja Ruf am Flügel in seinem Tipsy Evening noch einmal seine Improvisationskunst präsentiert, von den Klarinetten locker mit swingender Tongebung unterstützt.
In Mozart’s Night Train ist Ilja Ruf der Lokführer, der mit seinen Ideen die Fahrt bestimmt und auf die stilistische Variabilität seiner klassisch ausgebildeten und als stellvertretende Soloklarinettisten tätigen Trio-Partner – Ivo Ruf beim SWF-Sinfonieorchester, Nikolai Gast im Staatstheater Wiesbaden – und auf deren Perfektion setzen kann. Eine unterhaltsame einstündige Fahrt mit ein wenig Mozart im Gepäck.
Heribert Haase