Brügge, Joachim / Wolfgang Gratzer / Thomas Hochradner (Hg.)

Mozarts letzte drei Sinfonien

Stationen ihrer Interpretationsgeschichte

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Rombach, Freiburg 2008
erschienen in: das Orchester 09/2008 , Seite 62

Einen Vortrag in der Schriftform zu veröffentlichen, ist problematisch, noch dazu, wenn es sich um Vorträge handelt, deren musikalisches Thema mit Klangbeispielen erläutert wird. Dennoch haben die Herausgeber, das Institut für Musikalische Rezeptions- und Interpretationsgeschichte der Universität Mozarteum Salzburg und der Rombach-Verlag dieses Experiment gewagt – nicht zuletzt, um einen tiefen Einblick in die Werkstatt „Musikwissenschaft“ und die Beschäftigungsfelder des erst im Jahr 2006 gegründeten Instituts zu geben. Der Tagung „Mozarts letzte Sinfonien – Stationen ihrer Interpretationsgeschichte“ im Dezember 2006 mögen daher durchaus auch „konstituierende“ Elemente angehaftet haben.
Die Herausgeber sehen diese Darstellung als Momentaufnahme. Besonders hervorzuheben ist, dass nicht nur die einzelnen Vorträge abgebildet werden, sondern auch die sich daran jeweils anschließende Diskussion im Plenum, die interessante und sehr offene Einblicke in eine angestrebte Richtungsfindung der wissenschaftlichen Ansätze für das neu gegründete Institut gewährt. Damit dürfte die begonnene Diskussion für Außenstehende und nicht an der Tagung Beteiligte nachvollziehbar dokumentiert sein. Und zugleich ergibt sich schon aus der Aufzeichnung der in den Diskussionen gestellten Fragen ein Großteil des Pensums, das in den nächsten Jahren im Mozarteum Salzburg zu bearbeiten sein wird.
Im vorliegenden Band kommen alle Teilnehmer mit einer revidierten Fassung ihres Tagungsbeitrags zu Wort. Die Bandbreite der Autoren reicht dabei von renommierten Interpreten und Hochschullehrern wie Peter Gülke oder Siegfried Mauser bis hin zu Nachwuchswissenschaftlern, die sich allesamt um klar fassbare und auf engem Raum gut darstellbare Aspekte der Forschung hinsichtlich der Rezeptions- und Interpretationsgeschichte am Beispiel der drei großen Mozart-Sinfonien bemühen.
Das Forschungsobjekt scheint dabei insofern gut gewählt, als Mozarts letzte Sinfonien in einer fast unüberschaubar großen Zahl von Aufnahmen vorliegen und – zumindest in den letzten 150 Jahren – eben auch im Konzertleben eine durchaus prominente Stellung eingenommen haben. Dennoch zeigt der hier vorliegende Überblick durchaus auch auf, wie wenig systematisch bisher auf dem Gebiet der Rezeptions- und Interpretationsgeschichte gearbeitet wird. Viele vergleichende Darstellungen der Autoren und zahlreiche Argumentationen bauen insbesondere auf Tempovergleichen der herangezogenen Aufnahmen auf. Nur selten werden, wie z.B. von Rainer Schwob in seinem Beitrag zu den Sinfonie-Einspielungen mit den Wiener Philharmonikern, Versuche unternommen, weitere objektivierbare Kriterien als Stütze der Argumentationsführung heranzuziehen.
Den Autoren ist eine an vielen Stellen phänomenologische und nur bedingt systematische Herangehensweise durchweg bewusst, und so lassen die aufgezeichneten Diskussionen ein Bemühen um die Strukturierung ihres Wissenschaftsgebiets deutlich erkennen. Mit dem hier veröffentlichten Ausgangspunkt hat hoffentlich nicht nur für das neu gegründete Institut eine spannende Reise in einer der an Bedeutung gewinnenden Disziplinen der Musikwissenschaft begonnen.
Daniel Knödler

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