Drüner, Ulrich
Mozarts Große Reise
Sein Durchbruch zum Genie 1777-1779
Um eine Biografie schreiben zu können, muss man Leben und Schaffen eines Komponisten zutiefst kennen und sich dennoch einen offenen Blick bewahren fast ein Ding der Unmöglichkeit. So ist es erst einmal erfreulich zu vermelden, dass Ulrich Drüner, Vertrauter des 2004 verstorbenen großen Mozartiana-Sammlers und Autografenhändlers Albi Rosenthal, gleich von Anfang seines Buchs an mit verschiedenen Mythen abrechnet wie lange bin ich es schon leid, ständig jenes Falco/Peter Shaffer-Amadeus-Bild ertragen zu müssen, was ebenso wie die Mozartkugel nie auch nur ansatzweise Teil Mozarts war.
Drüner befasst sich detailliert, vor allem anhand von Briefzitaten und Berichten von Zeitgenossen, mit den Jahren 1777 bis 1779 und damit mit der wichtigen, viele Weichen stellenden Reise nach Paris eine äußerst lohnende und wichtige Angelegenheit (er greift mit dem Buchtitel den Begriff der Grand Tour, der Bildungsreise der Oberschicht im 18. Jahrhundert nach Italien, auf). Doch so sehr Drüner seine Liebe zum Objekt anzumerken und sein Einsatz auf ganzer Linie zu loben ist, so verfällt er doch immer wieder in die Haltung, die bisherige Mozart-Biografik prinzipiell abzulehnen oder irrelevantere biografische Versuche durch vielfache Bezugnahme erst wieder in den Fokus zu rücken, statt die positiven Erscheinungen verstärkt zu betonen. Dass er sich hauptsächlich auf ältere Literatur beschränkt, mag ein zusätzlicher Nachteil sein die neuere Mozart-Literatur wird nur in den einleitenden, offensichtlich nachträglich verfassten Seiten aufgegriffen; das Skript des Hauptteils des Buchs scheint schon länger fertig gewesen zu sein.
Dass in jeder Biografie dadurch, dass jedes Fakt eigentlich belegt werden muss und dies oft nur durch Vermerke aus dritter Hand möglich ist, leicht Fehler in der Überlieferung stehen bleiben können, liegt auf der Hand nicht umsonst ist in Deutschland die Kultur der herausragenden Musikerbiografien etwas zurückgegangen. Und dass die Glaubwürdigkeit von Zeugen, gerade auch, wenn sie keine direkten Zeitzeugen sind, wenigstens ansatzweise in Zweifel gezogen werden muss, bietet eine zusätzliche Schwierigkeit. Vielfach wendet sich Drüner frühen Quellen der Mozart-Rezeption zu unter der Prämisse, dass eine Darstellung als richtig hingenommen werden muss, solange kein Motiv zu Verfälschungen erkennbar ist. Das Nicht-Passen in ein bestimmtes Bild ist kein Grund zur Ablehnung. (S. 226)
Dass hierin zahlreiche renommierte Mozart-Forscher nicht leichten Herzens einer Meinung sein bzw. leichter Motive zur Verfälschung wahrnehmen werden, fördert den Diskurs über Mozart und wirft interessante Schlaglichter auch auf den Autor. Denn Drüner weist die von ihm zitierten Quellen nicht detailliert nach, man muss sich die genannten Quellen mühsam heraussuchen, um seine Argumentation auch werten zu können. Die Anmerkung auf S. 16 weist überdies darauf hin, dass die Mozart-Zitate zwar unverändert, andere Quellen aber redaktionell bearbeitet wiedergegeben werden.
Angesichts schwergewichtiger Konkurrenz hat es die Publikation des Quereinsteigers Drüner gerade im Mozart-Jahr etwas schwer sich zu behaupten, doch mag sein unkonventioneller Ansatz ein besonderer Anreiz zur erneuten Auseinandersetzung mit dem ewigen Rätsel Mozart sein.
Jürgen Schaarwächter