Geck, Martin
Mozart
Eine Biographie
Als es im Jahr 2000 galt, des 250. Todestags Johann Sebastian Bachs zu gedenken, trat Martin Geck, einer der profiliertesten deutschen Musikologen, mit einer gewichtigen 800-seitigen Monografie an die Öffentlichkeit. Auch heuer, zum Mozart-Jahr, leistet Geck seinen biografischen Beitrag, doch diesmal genügt ihm, obwohl doch Mozarts Leben sehr viel reicher dokumentiert ist, der halbe Umfang. Nicht seichter, aber leichter, so der Autor, und damit dem Gegenstand angemessen sei sein neues Buch konzipiert.
An der Kunst, das Schwere angenehm zu machen, versucht Geck sich, und lässt sich dabei von F. W. Bernstein unterstützen. Ganz unprätentiös wirken dessen in schwarz-weißer Mischtechnik gehaltenen Illustrationen, die die herkömmliche Mozart-Ikonografie mit Elementen von Cartoon und Comic aufbrechen. Harlequin komponiert: So hatte Geck sein Mozart-Buch ursprünglich nennen wollen, schreckte dann aber doch vor dem erwartbaren Missverstehen solchen Titels ab. Denn auf eine Darstellung von Leben und Werk auf neuestem Forschungsstand ist es seriöserweise abgesehen, wenn auch der Fokus auf des Autors These liegt, man komme Mozarts Musik am besten aus einer Sicht bei, die ihre harlequinesken Züge betone, ihre Freiheit, ihr lustvoll spielerisches Moment.
Nicht zufällig hat Geck diese Überlegungen ins Zentrum gestellt, einen eigenen Ästhetik-Abschnitt, der zwischen die jeweils recht gerafften Teile Biografie und Werk tritt. Der aufs Wesentliche konzentrierte Lebensabriss gehört zu den gelungensten Teilen des Buchs: nicht angesichts der Ewigkeit mit der Bescheid-Wissenschaft des Nachgeborenen erzählt, sondern in einem historischen Präsens, das den Blick auf die Kontingenz von Entwicklungen lenkt. Noch kursorischer fällt der Werk-Teil aus, in dem wegen der genuinen Theaterhaltung der mozartschen Musik das Opernschaffen dominiert und erst danach der Blick auch auf Klavierkonzerte, Quartette, späte Sinfonien und geistliche Werke gelenkt wird.
Harlekinesk verfährt Geck selbst in seiner sehr privaten Diskographie von A bis Z, die etwa eine Aufnahme des Ave verum mit dem letzten Kastraten der Cappella Sistina empfiehlt. Aber nicht alles lässt sich im Zeichen des Harlekin rechtfertigen. Der Eindruck verdichtet sich bei der Lektüre, als sei das Vorliegende der Anlauf zu einem größeren Buch, das aus aktuellem Jubiläumsanlass eine Vorabveröffentlichung im Stadium seines Wachsens erfahren hat. Die Fülle der Ideen und Assoziationen, die der vielfach belesene und neugierige Autor aus den Bereichen der Literatur, der Philosophie oder der aktuellen Kunsttheorie an sein Thema heranträgt, frappiert, wirkt aber oft ein wenig willkürlich und sprunghaft zusammengestellt. Hinweglesen muss man ab und an über missglückte Satzkonstruktionen, die der Korrektur entgangen sind, und irritieren lassen darf man sich nicht, wenn der Name von Mozarts Schwester abwechselnd in drei verschiedenen Schreibweisen erscheint.
Meriten hat diese eloquent und formulierungsmächtig vorgetragene Mozart-Darstellung dennoch genug. Was sie sicher nicht ist: ein abgeklärtes Standardwerk der Mozart-Biografik, das auch dem Laien als Einführung dienen könnte. Wer sich aber als Kenner in einen spannenden, zum eigenen Weiterdenken anregenden Diskurs über Mozarts Kunst einschalten möchte, dem seien Gecks Ausführungen nachdrücklich empfohlen.
Gerhard Dietel