Angermüller, Rudolph
Mozart muss sterben
Ein Prozess
Mediziner und Juristen haben bereits musikalische Themen ausgeschlachtet: Die Krankheiten der Komponisten wurden posthum durchleuchtet und der Ring des Nibelungen wurde im Lichte des deutschen Strafrechts bewertet. Nun liegt ein Buch vor über fingierte Mordprozesse gegen Personen aus Mozarts Umfeld. Hier muss bereits die Kritik einsetzen: Weder Autor noch Gericht glauben nämlich an ihre Schuld; im Gegenteil, es soll ihre Unschuld bewiesen werden. Der einzige Mordverdacht, der je geäußert wurde, betraf Salieri und war so unsinnig wie alle anderen. Warum also wurde dieses Buch geschrieben?
Der Verfasser wollte auf diese ungewöhnliche Weise die Randfiguren in Mozarts Leben biografisch durchleuchten. Dies wäre einfacher zu bewerkstelligen gewesen, als sich die beliebten Gerichtssendungen mit Barbara Salesch oder Alexander Hold zum Vorbild zu nehmen. Jeder Abschnitt beginnt mit der Belehrung des Richters: Sie müssen hier nicht aussagen, wenn Sie sich selbst belasten. Sie müssen aber die Wahrheit sagen; wenn nicht, können Sie bestraft werden. Danach wird die Anklage erhoben und dem Angeklagten Gelegenheit gegeben sein Leben zu erzählen und die Anklage zurückzuweisen. Am Ende sind Ankläger und Verteidiger immer einig, dass die Anklage hinfällig ist, sodass ein Freispruch erfolgt.
Dies sind aber nicht die einzigen Einwände gegen dieses Buch. Es bleibt meist unklar, wann der Prozess überhaupt geführt wird. Noch verwirrender wird es, wenn der Autor erklärt: Die Sprache wurde bewusst locker gehalten. Sein Stil ist Alltagssprache von heute, gespickt mit Wörtern wie toll, astrein, kleinkariert, sauer, frustriert, motzen, gammeln, Fete, Zoff, erste Sahne, Gag usw. Er wird jedoch nicht einheitlich durchgehalten; immer wieder begegnen uns dazwischen auch veraltete Wörter wie Pfründe, Narrenpossen, Tonsetzer, Schlagfluss, Beutelschneider usw. Ebenso stechen die vielen Zitate aus Briefen, Dekreten und Ähnlichem sprachlich arg ab.
Anfechtbar ist auch die Auswahl der Angeklagten. Es ist geradezu grotesk, wenn Constanze Mozart, sein Freimaurer-Bruder und Gönner Puchberg, Schikaneder, da Ponte oder Beaumarchais angeklagt werden. Auch die vielen Mitglieder der Sippe Constanzens sind ferne von einem Mordverdacht, so wie der Fürstbischof Hieronymus Colloredo oder der Schauspieler Karl Ludwig Gieseke, der Ideen zur Zauberflöte beigesteuert hat. Wie konnte Rudolph Angermüller, der im Klappentext als einer der weltweit besten Mozartkenner und Generalsekretär des Mozarteums vorgestellt wird, einen an sich guten Gedanken, nämlich auf amüsante Weise Nebenfiguren aus Mozarts Biografie lebendig zu machen, auf so abstruse Weise ins Werk setzen?
Günther von Noé