Mozart. Leben in der Musik
Eine klingende Biografie von Corinna Hesse, erzählt von Henning Westphal
Wie schön war das, als die Eltern, als Tante oder Onkel oder auch nur die große Schwester des Abends etwas vorlasen, als wir selbst noch nicht in die Lage versetzt waren, Texte allein zu lesen! Und später hörten wir trotz inzwischen erworbener eigener Lesekompetenz immer noch gerne die nachmittäglichen Lesungen im Rundfunk: Welche Entspannung bei Lederstrumpf oder Steppenwolf, gelesen von getragenen Stimmen in wechselnden Stimmungen, mal tieftraurig, mal heiter, mal gebieterisch.
Heute, da jeder Zweite in Zug und Bus einen Kopfhörer am Ohr hat und kein ordentlicher PKW mehr ohne Silberscheiben-Spieler auskommt, hat das Hörbuch in CD-Form einen ungeheuren Aufschwung genommen. Der Silberfuchs-Verlag macht schlau eine Tugend aus dem Trend, Bücher lieber zu hören als zu lesen, und kombiniert Text mit Musik und wer anders als Mozart würde sich im Jahr 2006 anbieten, selbiges zu verbinden?
Corinna Hesse komprimiert dieses Leben in der Musik, nimmt Mozart-Authentisches und -Biografisches, zitiert Briefe der Familie. Ausführlich natürlich die ans Bäsle. Denn Sätze wie: Mein Arsch brennt mich wie Feüer, machen sich bei solchen Gelegenheiten immer besonders gut.
Hesse verbindet diese mit Erzähltem und natürlich mit der Musik, die oft im Hintergrund mitläuft. Das Ganze ist eine Art biografisches Hörspiel mit vielen Beispielen aus Kammermusik, Kirchenmusik, Sinfonik und Oper (gespielt von Interpreten quer durch die Bank: von Abbado bis Gardiner, vom Amadeus-Quartett bis zu Anne Sophie von Otter) ein rechtes Buch zum Kennenlernen des Salzburger Genies. Aber auch der Mozart-Kenner hat seinen Spaß beim (Mit-)Hören: Sogar musikalische Korrespondenzen, etwa zwischen einer frühen Sinfonie und der a-Moll-Klaviersonate, die Mozart kurz nach dem Tod der Mutter komponierte, werden erläuternd eingestreut. Allerdings kann ein auf 95 Minuten beschränktes Hörerlebnis eine mehrtägige Lektüre einer richtigen Mozart-Biografie nicht ersetzen. Das würde auch keiner erwarten. Kann hier doch selten mehr als ein kurzer Anreißer gegeben werden, der neugierig macht auf eine bestimmte Musik.
Für Einsteiger und Lesemuffel ist dieses Hörbuch also durchaus zu empfehlen: Es vermittelt nichts Falsches, wenn auch vieles nur knapp angerissen wird und das meiste nur angedeutet werden kann. Doch wenn beim gegenwärtigen, allgemein diagnostizierten Konzertbesucherschwund auch nur ein junger Interessierter hinzugewonnen wird, hat sich diese Produktion schon bezahlt gemacht.
Henning Westphal ist ein kompetenter Rezitator, dem allerdings eine wirkliche Wandelbarkeit seines Sprechtons noch weitgehend fehlt: Bei Mozarts Brief mit der Todesnachricht der Mutter beispielsweise ist kaum ein Ton von Trauer oder Erschütterung zu hören und auch keine Angst etwa vor der Reaktion des Herrn Papa. Das ansprechende Begleitheft wurde grafisch gestaltet von Roswitha Rösch.
Matthias Roth