Mörike, Eduard
Mozart auf der Reise nach Prag
Eine Novelle. Gelesen von Sven Görtz (Wolfgang Amadeus Mozart: Opern: "Don Juan" et al. Gespielt vom SW-Studio-Orchester, Ltg. Klaus-Peter Modest)
Das soeben zu Ende gegangene Mörike-Jahr (200. Geburtstag am 8. September 2004) brachte neben verschiedenen Gesamtausgaben seines nicht sehr umfangreichen literarischen Werks auch interessante musikalische Neuerscheinungen; so z. B. eine CD mit Mörike-Gedichten in Vertonungen seiner Zeit (Nachtigallensang, Bayer Records BR140 004). Dabei wird deutlich, dass Mörikes Verbindung zur Musik nicht nur durch die sangliche Sprache seiner Lyrik, die zahlreiche Komponisten zur Vertonung angeregt hat Hugo Wolf, Robert Schumann, Hugo Distler und viele andere , gegeben ist. Der Dichter ließ sich oft von Opernmelodien inspirieren, auch forderte er seinen Bruder Karl sowie zahlreiche Komponisten in seinem Freundeskreis zur Vertonung seiner Texte auf. Um so erstaunlicher, dass er selbst keinerlei musikalische Begabung hatte: Die Noten schreibe ich wie ein Simpel hin, ich weiß nicht wie sie lauten, gestand er in einem Brief an seinen Freund Wilhelm Hartlaub.
Keineswegs als Simpel zeigt Mörike sich in vielen seiner Gedichte und vor allem in seinen Novellen. Und unter Letzteren ist es besonders Mozart auf der Reise nach Prag, die bis heute nicht nur musikbegeisterte Leserinnen und Leser entzückt. Die detaillierte Ausarbeitung der Szenerie, die historische Genauigkeit, in welche die fiktive Handlung eingebettet ist, die humorvolle Schilderung und nicht zuletzt die Leichtigkeit der Sprache können uns auch heute noch begeistern. Mörike zeigt uns den rastlos ackernden Komponisten, innerlich gehetzt und unruhig, ständig auf Reisen, um für seine Kunst einzutreten. Doch auf dieser Reise nach Prag, wo er seinen Don Giovanni zur Uraufführung bringen möchte, findet er auf dem Herrensitz eines Landadligen für einen Tag und eine Nacht Ruhe, Freundschaft und vielleicht ein letztes Mal? Glückseligkeit. Denn parallel zum düsteren letzten Akt seiner Oper mit dem Auftritt des Komtur, den Mozart den Anwesenden im Schloss zum ersten Mal zu Gehör bringt, beschleicht die junge Tochter des Hauses die dunkle Ahnung, dass das noch junge Leben dieses Genies bereits seinem Ende entgegengeht.
Mörikes Novellen sind mit ihren ineinander geschachtelten Handlungsebenen für jeden Erzäh-
ler eine große Herausforderung. Sven Görtz meistert sie gekonnt. Zwar klingt seine Sprache zunächst etwas aufgesetzt und wirkt leicht selbstverliebt. Doch wie es ihm gelingt, den zahlreichen Personen der Handlung eine je eigene Stimme, Sprachmelodie und Dialekt zu geben, wie er diese Nuancierungen bis zum Schluss konsequent durchhält und die teils altertümliche Sprache flüssig wiedergibt das ist großartig gelungen und verleiht Mörikes Novelle eine plastische Gegenwärtigkeit.
Ganz anders verhält es sich leider mit der beigegebenen Musik-CD. Aus der nahe liegenden Oper Don Giovanni sind nur zwei Stücke (Ouvertüre und Arie der Zerline Batti, batti, o bel Masetto) eingespielt; die übrigen zwölf Nummern bilden eine Mischung von Ouvertüren und Arien aus sieben weiteren Mozart-Opern, eingespielt nicht nur von einem SW-Studio-Orchester (wie auf dem Umschlag angegeben), sondern auch von der Capella Istropolitana unter wechselnden Dirigenten. Die Zuordnung bleibt dabei größtenteils völlig unklar, das vier Seiten umfassende Beiblatt, das Booklet zu nennen vermessen wäre, strotzt ebenso wie die Umverpackung vor Fehlern. Das alles ist lieblos zusammengeschustert und schmälert den Wert des Ganzen durchaus. Wer jedoch darüber hinwegsehen kann und sich auf das eigentliche Hörbuch mit Mörikes Novelle beschränkt, kann sich auf großen Hörgenuss freuen.
Rüdiger Behschnitt