Monika Rittershaus
Moving Music
Die Berliner Philharmoniker & Sir Simon Rattle
Musiker im Gespräch mit Kollegen. Musiker, vorzugsweise Streicher, bei Einspielübungen oder in Wartepositionen vor ihrem Auftritt; Musiker im Probenalltag; Musiker, überwiegend schnappgeschossen, mitunter aber auch als künstlerisch gestaltetes Porträt konterfeit, hat die bühnen- und konzerterfahrene Fotografin Monika Rittershaus in ihrem Bildband Moving Music über die Berliner Philharmoniker und ihren demnächst scheidenden Chefdirigenten Simon Rattle versammelt.
Ob im Gesamtrudel, in der speziellen Gruppe oder als Einzelgänger: Stets ergibt sich ein facettenreiches Abbild vom Innenleben dieser traditionsreichen Musikerrepublik, von der die Musikjournalistin Eleonore Büning einleitend schwärmt, sie sei eine wunderbare Tatsache. Sie belegt es durch Hör- und Seherlebnisse von Dirigenten wie Herbert von Karajan oder Simon Rattle (dieser dialektische Ideenhecker, dieses smarte, ständig gutgelaunte Kommunikationsgenie). Sie erwähnt die zahlreichen Neuerungen in den philharmonischen Betriebsabläufen, begeistert sich am wegweisenden Education-Projekt Rhythm is it!, lobt die Erfindung der Digital Concert Hall, das eigene Plattenlabel, die großen Tourneen
Alles davon findet in dem Bildband seine Atmosphäre einfangende Widerspiegelung. Oft wähnt man sich so in die Bilder hineinversetzt, als belausche man die Intonationsfeinabsprache zwischen zwei Bratschern in der Bühnenkulisse des Festspielhauses Baden-Baden oder könne die Gedanken des Solobratschers Amihai Grosz bei seiner Coffee-to-go-Entspannung auf den Treppenstufen im Backstagebereich der Symphony Hall von San Francisco lesen. Nicht weniger eindrucksvoll das entspannende Pausennickerchen des Klarinettisten Alexander Bader während der China-Tournee im Shanghai Grand Theatre.
Etwas mühsam ist es allerdings, die entsprechende Spielstätte erst in der Unterwegs-Liste im Anhang heraussuchen zu müssen. Unter den knappen Bildhinweisen wäre dafür genügend Platz gewesen. Störend ist auch, dass die Brillanz vieler Bilder (vornehmlich der Schnappschüsse) zu wünschen übrig lässt. Doch vielleicht sollte der Weichzeichnereffekt bewusst als künstlerisches Gestaltungsmittel eingesetzt worden sein?
Ergänzt wird der schwergewichtige Bilderbogen, der überdies mit ungewöhnlichen Blickwinkeln in die Architektur der bespielten Konzertsäle sowie mit interessanten Aktionsstudien des Maestro nicht spart, durch deutsch-englisch wiedergegebene Interviews mit Pultersten, Tuttispielern, Orchesterakademisten. Dabei geht es um Berufswerdegänge, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, psychische Wechselwirkungen von solistischen Auftritten und Tuttidienst oder die Probleme eines Probezeitarbeiters. Den Namen der Fragestellerin (Lena Pelull) entdeckt man allerdings erst an versteckter Stelle im Impressum.
Nichtsdestotrotz: Zur Vor- oder Nachbereitung eines Konzertabends mit den Berliner Philharmonikern sollte man den Band stets griffbereit halten.
Peter Buske