Schillings, Max von

Mona Lisa

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Preiser 90573
erschienen in: das Orchester 11/2004 , Seite 86

Die Oper Mona Lisa ist sicherlich das Meisterwerk des Komponisten Max von Schillings (1868-1933), der dieses Werk 1913/14 teilweise als Sanitäts-Soldat im Ersten Weltkrieg komponierte und 1915 selbst als dirigierender Intendant des Hoftheaters Stuttgart uraufführte. Bis 1930 wurde Mona Lisa beinahe so oft gespielt wie Strauss’ Rosenkavalier, danach waren die Erfolgsoper und ihr Komponist vergessen. Es gab nur noch wenige Inszenierungen, so 1983 in Karlsruhe, 1989 in Augsburg, 1994 in Kiel und 1996 an der Wiener Volksoper. Nun liegt die legendäre Einspielung von 1953 – nach 50 Jahren urheberrechtlich frei geworden – unter der Leitung von Schillings’ Schüler Robert Heger auf CD vor.
Die Geschichte spielt in Florenz zur Zeit der Medici: Mona Fiordalisa, genannt Mona Lisa, ist unglücklich mit dem Perlenhändler Francesco del Giocondo verheiratet, der wiederum eifersüchtig ist auf ihr Lächeln, so wie es Leonardo da Vinci auf seinem Gemälde dargestellt hat. Als ihr Ex-Geliebter Giovanni de’ Salviati auftaucht, weil er eine Perle für den Papst erstehen möchte, taut sie wieder auf, und er muss sich vor Francesco in dessen luftdichtem Tresor verstecken. Der Ehemann tut, als wüsste er von nichts, wirft den einzigen Schlüssel in den Arno und nimmt seine Frau mit Gewalt.
Im zweiten Akt, am Aschermittwoch, stellt sich heraus, dass der Schlüssel in das neue Boot der Stieftochter Dianora fiel, und Mona Lisa lässt nun auch ihren Mann im Schrein ersticken. Sie klagt ihn an, er habe den Dämon in ihr geweckt, und bricht zusammen. Dazu gibt es eine ganz moderne Rahmenhandlung, in der sich die Dreiecksgeschichte spiegelt: Ein Ehepaar auf Hoch-zeitsreise besichtigt den betreffenden Palazzo, jetzt das Haus der Mönche der „Certosa“, und ein Laienbruder erzählt ihnen die alte Geschichte.
Die Oper ist höchst effektvoll komponiert, mit einer virtuosen Mischung aus nachwagnerschen, impressionistischen und veristischen Elementen. Genreszenen (den Karneval gestaltete der Rheinländer Schillings besonders farbenreich!) wechseln mit psychologisch dichten Momenten, immer geradezu südlich leuchtend. Entsprechend dem Geist der 1950er Jahre setzt Robert Heger hier mehr auf das äußerst klare und solide Musizieren als auf die wilde Leidenschaft. Geradezu vorbildlich sind Phrasierung, Artikulation, Deklamation und Dynamik gestaltet, sodass von dem etwas engen Mono-Klangbild die Leistung der Musiker gut eingefangen wird.
Chor und Orchester der Städtischen Oper Berlin (die bekanntlich seit 1961 Deutsche Oper
Berlin heißt) überzeugen durch Transparenz und hervorragende Intonation. Eindrucksvoll die erhabene Intensität der Solisten, allen voran Inge Borkh als Frau/ Mona Lisa (was uns daran erinnert, dass diese Sopranistin von Haus aus Schauspielerin war), ebenso Tenor Hans Beirer als fast baritonaler Laienbruder/Giovanni und der abgründige Bariton von Mathieu Ahlersmeyer als Fremder/Francesco.
Schade nur, dass die grellen Gefühlskontraste dieser Musik nicht ganz ausgespielt, allzu viele scheinbar redundante oder peinliche Stellen gekürzt oder verändert werden. So etwas schmälert den Wert einer eigentlichen Referenzaufnahme.
Als Bonus singt Peter Anders auf der Doppel-CD noch Schillings’ vergleichsweise konventionelle Glockenlieder. Robert Heger dirigierte am 20. Mai 1943 die damals brillante Staatskapelle Berlin. Auch dieser Tenor besticht durch hohe Textverständlichkeit und durch seine besonders reine Strahlkraft.
Ingo Hoddick