Beimel, Thomas
mneme / tu aliento / cólera / melos / petite chanson d’amour / sumak / veni creator spiritus
Als einen peripheren Komponisten bezeichnet sich der in Essen geborene Thomas Beimel: ein Künstler vom Rand, ein Randständiger, einer, der die Ränder absucht. Dort findet der 38-Jährige Dinge, die im Zentrum selbst längst ad acta gelegt worden sind und auch in der jetzt schon lange währenden Phase des retrospektiven Komponierens nicht wieder recht Fuß fassen konnten das Element der Rhetorik, der klassischen Redekunst. Sie ist Beimel kein hohles Regelwerk, sondern eine musikalische Ausdrücklichkeit bewirkende Größe. Sprachcharakter ist tatsächlich bei den sieben, allesamt im Jahr 2000 und danach geschriebenen Werken offensichtlich. Selbst in melos, einem Duett für Pauken, fällt ein sprachgemäßes Artikulieren auf, ergeben sich im Hin und Her des aus dem Perkussiven immer mehr ins Melodische übergehenden Geschehens Klangreden. Cantus firmus und kanonische Verwebungen tauchen immer wieder auf. Sie geben bei allen Auflösungstendenzen des klanglichen Konturs etwas Leibgebundenes und Fassliches. Guter Nachvollzug ist auch dem unvorbereiteten Hörer jederzeit möglich.
Ein mimo-dramatisches Moment ist es, das spezifische Momente abendländischer Klangrhetorik aktiviert und mit idiomatischen Gesten orientaler Anmutung verbindet. Das jeweilige klangliche Ausgangsmaterial, das keine besonderen Extremwerte kennt, wird dabei in Prozesse der Erregung, der Entleerung, der Beruhigung und Freistellung versetzt. Die beiden Streichquartett mneme und cólera haben aphoristische, assoziative Qualitäten und sind doch gleich auf den ersten Eindruck hin genau reguliert. Der Formenkanon der Musikgeschichte ist dabei ohne die üblicherweise ironische Brechung gegenwärtig und bewegt sich doch zugleich in Klangbildern avantgardistischer Provenienz, wobei Geräuschklang-, Klangmasse- und Espressivo-Formatierungen genutzt werden. Allen Werken ist ein flehentlich-verhaltener, zurückgenommener, kontemplativer aber auch desaströser Ton eigen.
Die Interpreten der hier präsentierten Werke sind mit den Intentionen Thomas Beimels auf empathische Weise verbunden das hört man. Von der Nachdrücklichkeit, die die in unterschiedlichen Klangräumen präsentierten Stücke haben, wird vieles durch die ganz unschematische Artikulationsform des vollen Mezzosoprans Elmira Sebats, die konzentrierte Violin- und Violabehandlung Lila Browns und Werner Dickels mitbestimmt. Besonders die Momente des Sehnenden und Fragilen, ein fast romantisches Moment von ausformulierter Erinnerung, von Beschwörung, Verlust und Vereinigungssuche sind dezent und intensiv gegenwärtig ohne alle Gefälligkeit und ohne alles Klischee. Es hätte nicht der etwas zu offensichtlichen Beschwörung des Heiligen Geistes in Veni creator spiritus des sich als post-katholisch bezeichnenden Komponisten bedurft um zu erkennen Beimels Werke und das Spiel seiner Kombattanten sind inspiriert.
Bernhard Uske