Mládi

Works by Janácek, Martinu, Reicha

Rubrik: CDs
Verlag/Label: BIS CD 1802
erschienen in: das Orchester 02/2012 , Seite 77

Anton Reichas (1770-1836) Bläserquintette werden gerne mit Joseph Haydns Streichquartetten gleichgesetzt. Doch mehr Gemeinsamkeiten, als die jeweilige Besetzung in der Musikgeschichte zu verankern, finden sich nicht. Denn während alle großen Komponisten nach Haydn die Gattung eifrig weiter mit Werken bedachten, verschwand das Bläserquintett bald in der Schublade für Kenner und Liebhaber, bis im 20. Jahrhundert namhafte Komponisten sich anschickten, das Repertoire zu bereichern.
Insofern schlägt die vorliegende CD eine wertvolle Brücke zwischen der ersten und zweiten Blütezeit des Bläserquintetts.
Anton Reicha, selbst herausragender Flötist, war ein Komponist ungewöhnlicher Formschemata, die aus dem Gestus seiner Zeit herausstechen. Ebenso unkonventionell auch seine Metronomangaben, die zusammen mit den hochvirtuosen Passagen in den einzelnen Stimmen Zeugnis davon geben, über welche Meisterschaft das Ensemble verfügte, mit dem der Komponist damals arbeitete. Neben dem eingespielten op. 88/2 wartet die CD mit den drei kurzen Stücken für Englischhorn und Bläserquartett mit echten Schätzen auf, die zwischen Momenten romantisch-lyrischer Schönheit und kontrapunktischen Imitationen pendeln.
Bohuslav Martinus (1890-1959) Sextett für Bläser und Klavier entstand Ende der 1920er Jahre zu einer Zeit, als der Komponist die Eindrücke der Musikmetropole Paris zu seinem persönlichen Stil verschmolz. Herausgekommen ist ein unterhaltsames Divertimento, das zwischen Anklängen an die böhmische Musik und Jazz-Elementen pendelt. Ungewöhnlich mutet die Besetzung an, denn Martinu ersetzt das Horn durch ein zweites Fagott. Auch der dritte Satz, der nur für Flöte und Klavier geschrieben ist, wird von Michael Hasel und Pianist Hendrik Heilmann als exzellenter Ohrenschmaus gegeben.
Ein solistisches Wiederhören mit den beiden gibt es in Leoš Janáceks Marsch der Blaukehlchen. Programmatisch ein Clou, denn der Blaukehlchen-Marsch erscheint in einer leichten Umgestaltung und Bearbeitung in der 1924 entstandenen Suite Mládi für Bläserquintett und Bassklarinette. Das wohl berühmteste Kammermusikwerk Janác?eks, von vielfältigen Erinnerungen an seine Jugendzeit inspiriert, erlebte bei der Uraufführung Pleiten, Pech und Pannen, was seinem Erfolg jedoch keinerlei Abbruch tat.
Das Berlin Philharmonic Wind Quintet macht sich auf dieser Aufnahme daran, neue Dimensionen viel gespielter Literatur zu erkunden. Die gemeinsame Vision der Vervollkommnung und Weiterentwicklung konzertanter Bläsermusik führt zu sinnlichen und innovativen Interpretationen. Trotz aller Lust auf Experimente bleibt jedoch immer eine vollendete Klangkultur erhalten, die bei vielen jüngeren Ensembles, die in letzter Zeit auf den Markt drängen, so nicht gegeben ist. Mit der vorliegenden Aufnahme zeigen die Bläser der Berliner Philharmoniker jedoch eindrücklich, wo die Messlatte noch immer zu hängen hat.
Sandra Sinsch