Andreas J. Winkler
mit und ohne worte
Elena Puszta (Sopran), Denis Ivanov (Klavier), Margarita Rumyantseva (Violine), Yuriy Broshel (Saxofon)
„Zudem gehöre ich zu den offenbar seltener werdenden Komponisten, denen durchaus etwas daran gelegen ist, als Künstler verstanden, ja, sogar gemocht zu werden.“ Ob die Spezies des publikumsaffinen Künstlers, zu der sich Andreas J. Winkler zählt, tatsächlich eine aussterbende Gattung ist, bleibe einmal dahingestellt. Ein Blick in die Werkauswahl auf der Homepage Winklers zeigt ein breites Spektrum, das von Klaviermusik, Liedern, Kammermusik bis zu Orchestermusik, Opern und Filmmusik reicht.
Die vorliegende CD versammelt überwiegend Lieder. Der Grund: „Nirgends wird sich meine Entwicklung so gut ablesen lassen wie am Lied, das seit gut zehn Jahren mein zentrales Genre ist, wie es sich für einen ordentlichen Romantiker gehört“, bekennt Winkler im Booklet. Eine große Nähe verspürt er zu der Dichterin Sabine Bergk. Die wiederum versteht sich ausdrücklich auch als Lieddichterin und hat aus dieser Überzeugung heraus sogar eine Podcast-Reihe mit dem Titel Lieder können fliegen etabliert.
Eines ihrer Liedgedichte trägt den Titel Abendfarben. Sie preist darin den imaginären Maler des Abendlichts als Regisseur eines magischen Spektakels aus Farbakkorden und Vogelschwärmen. Winklers Vertonung für Sop-ran und Klavier schwelgt nicht in üppigen Farben, in einschmeichelnder Harmonik, in Tonmalerei. Sie kommt eher dezent daher, die Harmonik ist einer schwebenden Tonalität verpflichtet, die Singstimme folgt den Worten sehr dicht, Melismen setzt Winkler sparsam ein. Um so größer die Wirkung, wenn die „Vogelschwärme“ im Klavier in Gestalt von Terzfolgen „auffliegen“. Insgesamt ist „Verständlichkeit“, so Winkler, oberstes Gebot, vor allem bei der Liedkomposition. Beispielhaft in Dem Abend gesagt nach Ingeborg Bachmann, wo die Singstimme konsequent syllabisch angelegt ist, beispielhaft dieses Lied auch für Winklers ökonomische Kompositionsweise, weil er hier fast mit einem einzigen Motiv in der Klavierbegleitung auskommt.
Die meisten der Lieder sind Zyklen entnommen, einer davon heißt expressis verbis, nach expressionistischen Dichtern wie Georg Heym oder Else Lasker-Schüler. Diese Werke erhalten eine besondere Note durch die Besetzung für Sopran, Klavier und Saxofon. Mehrere divers besetzte Kammermusikwerke fungieren als Abwechslung zwischen den Vokalstücken und erklären den CD-Titel (mit und ohne worte). In den Stücken für Klavier solo wie Improsodie oder Improsperity spürt man Winklers Nähe zum Jazz, das Trio (für Klavier, Saxophon und Violine) unternimmt Ausflüge in die Neoklassik. Die Sopranistin Elena Puszta und die drei beteiligten Musiker erweisen sich als exzellente Interpreten. Das Booklet bietet alle Liedtexte.
Tonmeister Benedikt Fuchs leistete im Oktober und November 2021 im Bürgermeisterhaus Essen hervorragende Arbeit. Wer Anregungen für einen Liederabend jenseits von Schumann und Wolf sucht, findet hier Inspiration.
Mathias Nofze