Verdi, Giuseppe
Missa da Requiem
Über die Theatralität von Verdis Requiem ist viel geschrieben worden, und dabei blieb offen, ob die Nachbarschaft des Sakralwerks zur Bühne ein Nachteil bei der Vermittlung der geistlichen Botschaft sein muss. Die polemischen Vorbehalte etwa des Wagner-Dirigenten Hans von Bülow gegen Verdis neueste Oper im Kirchengewande sind inzwischen allenfalls ein drolliges Aperçu in der Rezeption der Missa da Requiem, auch wenn dem Stück immer noch das Aroma unangemessener Weltlichkeit und Effektlust geblieben ist.
Die Einspielung mit dem Sinfonieorchester der Stadt Aachen unter der Leitung von Marcus Bosch setzt erkennbar auf die theatralischen Wirkmittel der Partitur etwa in den imaginären Bühneneffekten des Dies irae, dem sieghaft aufblühenden Kyrie, dem dramatischen Impuls des Tuba mirum oder dem lyrischen Gestus des Lacrymosa-Quartetts. Der Livemitschnitt einer Aufführung aus dem Aachener Dom 2005 bezieht seine beste Wirkung aus der spürbaren Unmittelbarkeit der musikalischen Umsetzung. Hierin ist sie mancher der zahlreichen Aufnahmen auf dem CD-Markt gewiss überlegen.
Dennoch dürfte die Produktion es schwer haben, sich in der Konkurrenz mit anderen zu behaupten. Das liegt nicht so sehr an dem traditionsreichen Orchester, auf dessen ruhmvolle Vergangenheit unter Dirigenten wie Busch, Karajan oder Sawallisch das beigelegte Booklet stolz verweist und das hier mit verlässlicher Kompetenz aufspielt, obschon etwa im Dies irae die Schreckensfanfaren schärfer akzentuiert und die versetzten Läufe der Sanctus-Fuge präziser differenziert sein könnten. Mag sein, dass da die Tontechnik des Mitschnitts nicht immer ganz vorteilhaft gewirkt hat. Auch der Chor meistert seine dankbaren Aufgaben durchaus bemerkenswert: Die vom Dirigenten Bosch 1990 gegründete vocapella gehört zu den Pluspunkten dieser Einspielung und beeindruckt durch kompaktes Zusammenwirken.
Das Problem dieser CD sind die Solisten, und hier ist es vor allem der Bassist Martin Blasius, der durch ungenaue Intonation, angestrengte Höhe und mulmige Färbung zu einem anhaltenden Ärgernis der Aufnahme wird. Sein Tuba mirum gerät ebenso zu einem Härtetest auf die Musikalität der Zuhörer wie das Confutatis, das durch flackernde, vage Tongebung verstört. Der Tenor Michael Ende erweist sich als unauffälliger, ensembledienlicher Interpret, der freilich mit seinen Soli (etwa dem Ingemisco) keine eigenen Akzente zu setzen vermag, die Mezzosopranistin Gabriele May klingt in der oberen Lagen ein wenig unstet und nur die Sopranistin Melba Ramos kann mit ihren Beiträgen ganz überzeugen etwa im abschließenden Libera me, das zwischen Bangen und Flehen eine schlüssige Linie findet. Insgesamt bleibt die Aufnahme hinter dem Standard zurück, den andere Einspielungen längst gesetzt haben. Ob die Aachener sich mit dieser Produktion einen Gefallen getan haben, steht dahin.
Rüdiger Krohn