Huppertz, Gottfried

Metropolis op. 29

Musik zum Fritz-Lang-Stummfilm von 1925/26, Bearbeitung zum Film von Berndt Heller für Orchester, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ries & Erler, Berlin 2006
erschienen in: das Orchester 02/2007 , Seite 84

Dass Metropolis von Fritz Lang als Meilenstein der Filmgeschichte geschätzt wird, ist hinlänglich bekannt. Weit weniger bekannt ist dagegen, dass der Film seit seiner Veröffentlichung 1927 erheblich gekürzt und mehrfach umgearbeitet wurde, zum Teil auch vom Regisseur selbst. Teile der Originalfassung gingen dabei unwiederbringlich verloren und unter Federführung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung begann man in den vergangenen Jahren, die verschiedenen Bänder nach Maßgabe des Originals wieder zusammenzuführen, zu digitalisieren und inhaltlich zu ergänzen. Das Schicksal der von Gottfried Huppertz komponierten Filmmusik ist ähnlich. Berndt Heller ist es zu danken, dass aus zahlreichen verstreuten Quellen fast die komplette Filmmusik restauriert werden konnte, die jetzt als Partitur und Stimmensatz bei Ries & Erler erschienen ist.
Dem monumentalen Anspruch von Langs visionärem Stummfilm steht die weitaus weniger bekannte Musik von Huppertz in nichts nach. Ein groß besetztes romantisches Orchester mit Orgel wird nach Maßgabe des Musikdramas dominant mit der Gesamtdramaturgie verwoben – soll heißen, die Musik schweigt während der drei Stunden Filmdauer zu keinem Zeitpunkt. Dieser Mammutaufgabe begegnete Huppertz im Grunde mit spätromantischem Stil: wesentliche Figuren und Motive werden leitmotivisch begleitet und die Ausdrucksmittel des Orchesters fallen weder expressiv noch atonal aus dem Rahmen. Insgesamt spannt die Partitur weite Bögen über alle Szenen, ohne jede einzelne Einstellung zu untermalen. Die stilistische Vielfalt ist außerordentlich: Märsche und aufwühlende Ostinati charakterisieren den rebellischen Mob, prachtvolle Passagen begleiten die idealisierte Traumwelt Metropolis, intime Kammermusik untermalt die Beziehung zwischen Maria und Freder und mit Foxtrott und Walzer kommt die leichtfüßige Verschwendungssucht im Yoshiwara zu Geltung. Die Stärke der Partitur liegt allerdings in Huppertz’ treffend charakterisierender und geläufiger Melodik. Mit Gespür und Fantasie werden die Themen durch den Orchestersatz gereicht, ohne jemals schematisch oder abgenutzt zu wirken.
Der Partitur schicken Friedemann Beyer (Murnau-Stiftung) und Berndt Heller (Herausgeber) klärende Worte zum Sachverhalt der zerstückelten Überlieferung des Films sowie interessante Bemerkungen über den Stil Huppertz’ voraus. Dabei übertreibt Heller jedoch, wenn er der Partitur eine Modernität bescheinigt (Impressionismus, Expressionismus, Ganztonakkorde als „neue Klangmittel“), die so nicht gegeben ist, auch wenn die satztechnische Arbeit in der Tat außerordentlich kunstvoll ist. Die Edition zeichnet sich besonders dadurch aus, dass zur Orientierung Teile der eingeblendeten Texte und Bild-Motive beigefügt sind. Dadurch kann jede Einstellung mühelos musikalisch verfolgt werden. Einziger Wermutstropfen ist das Fehlen von Hinweisen auf vom Herausgeber ergänzte bzw. instrumentierte Teile, was sicher ohnehin nicht vorgesehen war, da es sich nicht um eine kritische Ausgabe handelt.
Tobias Gebauer