Puccini, Giacomo

Messa a 4 voci

für Soli ([Sopran], Tenor, Bass), Chor (Sopran, Alt, Tenor und Bass) und Orchester, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Carus, Stuttgart 2005
erschienen in: das Orchester 10/2005 , Seite 80

In der Reihe seiner vorzüglichen, wissenschaftlich betreuten Veröffentlichungen geistlicher Vokalmusik legt der Carus-Verlag nun die einzige Messe Puccinis in einer Ausgabe vor, die den Vorgaben für die Praxis musikalischer Aufführungen ebenso exemplarisch gerecht wird wie den Anforderungen an editorische Klarheit und Transparenz. Dieter Schickling, als Verfasser einer Puccini-Biografie (1989) und eines Puccini-Werkverzeichnisses (2003) einer der besten Kenner der Materie, hat sie herausgegeben und mit einem ausführlichen Vorwort sowie mit einem erschöpfenden kritischen Bericht versehen.
Daraus geht hervor, dass Puccinis 1880 uraufgeführtes Jugendwerk, das seiner späteren erfolgreichen Karriere als Opernkomponist vorangeht und das man als Abschluss seiner kirchenmusikalischen Ausbildung ansehen kann, seine erstmalige Wiederaufführung 1952 „der Puccini-Verehrung des italo-amerikanischen Priesters Dante Del Fiorentino [verdankt], der in seiner Jugend für kurze Zeit Kaplan in Puccinis Wohnort Torre del Lago gewesen war und damals den schon alten Komponisten kennen gelernt hatte“. Auf der Del-Fiorentino-Abschrift der Messe basierten
deren erste Veröffentlichungen 1951 und 1952 im US-Verlag Mills Music und bei Ricordi, wobei der italienische Verlag bereits die autografe Partitur heranziehen konnte und gegenüber der Del-Fiorentino-Abschrift „einige, aber durchaus nicht alle dortigen Irrtümer“ beseitigte.
Dieter Schicklings Veröffentlichung der Messe ist daher die erste Ausgabe, die sich konsequent auf Puccinis originale Partitur stützt. Selbstverständlich kann man als Rezensent, wenn man ehrlich ist, die immense Forscherleistung, die dahinter steht, nicht annähernd überschauen. Das gesamte Druckbild, die Kenntlichmachung der Zusätze und vor allem der detaillierte kritische Bericht mit einer genauen Quellenbeschreibung und zahlreichen Anmerkungen zu einzelnen Stellen vermitteln jedoch den Eindruck absoluter Kompetenz und verschaffen Musikern und Musikologen die Möglichkeit, den gesamten Editionsvorgang nachzuvollziehen.
Eine wertvolle Ergänzung bilden die vier abgebildeten Seiten der handschriftlichen Partitur Puccinis. Sie zeigen unter anderem spätere Bleistifteinzeichnungen des Komponisten im „Gratias agimus tibi“, die wahrscheinlich aus dem Jahr 1893 stammen, als Puccini sich kurzzeitig mit dem Plan einer Überarbeitung der Instrumentation beschäftigte. Der gesamte „Gratias“-Satz in der späteren Fassung ist zudem als Anhang abgedruckt worden. Wichtig ist auch der Hinweis auf die Wiederverwendung des Kyrie als kirchliches Orgelstück im ersten Akt der Oper Edgar und des Agnus Dei als „Madrigale“ im zweiten Akt der Oper Manon Lescaut. Letzteres wird ebenfalls durch eine Abbildung dokumentiert. Zu den Implikationen solcher Übernahmen sowie zum Stil der Messe insgesamt macht Dieter Schickling nur einige kurze Angaben. Ausführlichere Bemerkungen dazu enthält seine oben genannte Puccini-Biografie (insbesondere auf den dortigen Seiten 32 ff.).
Peter Schnaus