Goldmark, Carl

Merlin

Opera in Three Acts

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Edition Günther Hänssler PH09044, 2 CDs
erschienen in: das Orchester 07-08/2010 , Seite 66

Nachdem es für nahezu ein Jahrhundert recht ruhig um das Schaffen von Carl Goldmark (1830-1915) geworden war, scheint nun die Zeit für eine alle Genres abdeckende Wiederentdeckung gekommen zu sein. Geschuldet ist dies nicht nur der noch aktuellen Offenheit gegenüber Komponisten aus der vermeintlich „zweiten Reihe“, sondern auch dem nun weiter gefassten Interesse an der Musik des ausgehenden 19. Jahrhunderts – einer Zeit, für die vielfach Johannes Brahms als alleiniger Repräsentant im deutschen Sprachraum angesehen worden ist. Folglich hat man schon vor einigen Jahren erhellende Seitenblicke auf das beträchtliche Repertoire an Sinfonien und Kammermusik aus dessen näherem Umkreis gewagt (Werke etwa von Gernsheim, Herzogenberg, Jenner).
Hier wäre dann auch Goldmark zu nennen (mit seiner Programmsinfonie Ländliche Hochzeit op. 26, dem Violinkonzert a-Moll op. 28 und dem Streichquartett B-Dur op. 8) – nur dass Goldmark eben auch für die Bühne komponierte. Hier gelang ihm mit der Königin von Saba (1975) sein spektakulärer Durchbruch, und der Welterfolg der Oper setzte sich auch noch posthum in einer bis in die 1930er Jahre reichenden Aufführungstradition fort. Tragischerweise legte sich dieser Triumph aber wie ein langer Schatten auf seine anderen fünf Opern – dabei hatte sich Goldmark sowohl vom Sujet her als auch stilistisch immer wieder neu orientiert: Merlin (1886), Das Heimchen am Herd (1896), Die Kriegsgefangene (1899), Götz von Berlichingen (1902) und Ein Wintermärchen (1907).
So war konsequenterweise bisher auch nur die Königin von Saba auf CD greifbar. Dass nun Merlin eingespielt wurde (ohnehin eine Ersteinspielung!), wird mit Blick auf das Sujet, die Sagenwelt um König Artus, nicht verwundern – einst wie heute steht sie (vor allem bei der jüngeren Generation) noch immer hoch im Kurs. Dennoch sucht man einen Eintrag in Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters vergeblich.
Musikalisch versucht Goldmark einen Spagat. Er greift zwar Wagners Leitmotivtechnik auf, führt sie aber nicht bis ins Detail durch. Seine groß angelegten Monologe sind stärker gegliedert und damit überschaubarer, dringen aber nicht in psychologische Tiefen vor. Stilistisch ist Goldmark ohnehin eher in der österreichisch-ungarischen Musiktradition als anderswo zu verorten – seine Originalität zeigt sich dem kundigen Hörer vor allem in bemerkenswerten harmonischen Wendungen.
Ensemble und Orchester wissen um den Raritäten-Status dieser Produktion und haben sich beträchtlich engagiert. Hervorzuheben sind die beiden Tenöre Robert Künzli (Merlin) und Daniel Behle (Modred). Vor allem aber ist es dem Einsatz von Gerd Schaller (zuletzt GMD in Magdeburg) zu verdanken, dass Merlins Zauber überhaupt wieder klingende Gestalt annehmen konnte.
Michael Kube