Schabram, Kai Marius (Hg.)

Mendelssohns Kammermusik

Eine Einführung Kompendium Junge Musikwissenschaft, hg. von Jascha Barckhan, Bd. 6

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Uni-Edition, Berlin o.J.
erschienen in: das Orchester 11/2013 , Seite 67

Mendelssohns Kammermusik – ohne Frage ist das eine Literatur, die einen festen Platz nicht nur in den herausragenden Serien der großen Konzerthäuser hat. Dennoch, bei aller Anerkennung, die die Musikforschung dem Werk des Wiederentdeckers Johann Sebastian Bachs, des herangewachsenen Wunderkindes oder als was man den Nachfahren einer Gelehrtendynastie auch sehen will, in den vergangenen Jahren entgegengebracht hat – eine wirkliche analytische Einführung in diese bemerkenswerte und vielfältige Literatur fehlte bisher und bildete eine der sonderbarsten Markt- oder auch Forschungslücken auf dem Gebiet der Musikwissenschaft.
Und nicht weniger bemerkenswert ist, wie die Universitätsdisziplin nun aus einer außergewöhnlichen Initiative heraus die Lücke schließt.
Immerhin soll ihr Stammvater Hugo Riemann jenes legendäre geflügelte Wort hervorgebracht haben, das besagt: Wenn ich etwas nicht weiß, dann schreibe ich ein Buch darüber. Und in der Tat ist jenes Werk, das die Uni-Edition mit eindrucksvoll leichter Hand und in bemerkenswert kurzer Zeit auf den Markt geworfen hat, im besten Sinn das Ergebnis eines kreativen Wissensdrangs. Es ist nicht einmal ein Jahr her, dass Christian Wiesenfeldt am gemeinsamen musikwissenschaftlichen Institut von Universität Jena und Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar ein Seminar zur Analyse Mendelssohn’scher Kammermusik abhielt. Nicht mehr und nicht weniger als das Ergebnis dieser intensiven kollektiven Beschäftigung ist das vorliegende Buch – auf den Markt gebracht in beachtlich kurzer Zeit und zu erschwinglichem Preis. Da sich das Buch an Suchende generell richtet – an Studierende, an Konzertbesucher, aber auch an Ausführende, die dankbar für den einen oder anderen analytischen Impuls sind –, sind die Ansätze breit gestreut, auch wenn sie generell vor allem eines repräsentieren: solides musikwissenschaftliches Handwerk.
Sicher ist es die Arbeit von Studenten aus sehr unterschiedlichen Studienphasen – doch jeder, der einen entsprechenden Parcours durchlaufen hat, wird sich eingestehen müssen, mit welcher Hingabe, welcher Intensität und welcher Detailtreue sich der angehende Forscher der Herausforderung der ersten Publikationen stellt. Und genau von dieser Begeisterung, diesem analytischen Aufs-Ganze-Gehen zeugen die vorliegenden Artikel. Sicher dokumentieren sie – aller bemerkenswerten Vereinheitlichungs-
arbeit des Herausgebers zum Trotz – die Vielfalt möglicher analytischer Zugänge und die Unterschiede im rhetorisch-stilistischen Anspruch.
Dennoch strotzt jeder Artikel – der jeweils eine überzeugende Diskussionsgrundlage darstellt – vor Neugier und Wissensdrang.
Man mag über den Ansatz streiten, aber ein besseres Zeugnis in Sachen Offenheit, Neugier, Praxis- und Publikumsnähe hat sich Musikwissenschaft in den vergangenen Jahren selten ausgestellt.
Tatjana Böhme-Mehner