Pütz, Marco

Memento

für Streichquartett, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Tonger, Köln 2004
erschienen in: das Orchester 02/2006 , Seite 81

Der Saxofonist und Komponist Marco Pütz ist bekannt für seine zahlreichen Werke im Bläserbereich. Mehrere seiner Stücke wurden mit Preisen gewürdigt. Sein Streichquartett Memento schrieb er für das Ensemble „Quatuor de Luxembourg“. Die Komposition wurde am 10. Dezember 2004 in Luxemburg uraufgeführt und ist bereits auf CD erschienen.
Memento besteht aus einem atonalen Satz, der in Bogenform mit jähen Abbrüchen angelegt ist. Die Exposition des Themas erfolgt in vier kanonischen Einsätzen, in Quinten aufsteigend (Violoncello, Viola, Violine II, Violine I), und führt zu dem tonalen Kulminationspunkt E-Dur. Eine diatonische Überleitung mündet in den Durchführungsteil, der seinen Höhepunkt in einem d-Moll-Dreiklang findet. Über dem Orgelpunkt A entfaltet sich Quintharmonik, die durch Schlagzeugeffekte im diminuendo schnell einen Tiefpunkt findet, der vehement in eine Klangfläche übergeht, die nach wenigen Takten abrupt endet. Ein impressionistisches Tremolo baut sich zum ff auf, kann aber keinen Raum gewinnen, da es von der zweistimmig oktavierten Umkehrung des Themas abgelöst wird. Die dynamische Qualität ff intensiv ist bei der zweistimmigen Führung in Oktaven schwierig zu erreichen, sie wäre eher durch Verdichtung des vierstimmigen Satzes möglich. An dieser Stelle scheint die „bläserische Herkunft“ des Komponisten durchzuschimmern.
Eine anders instrumentierte Reminiszenz aus dem vorangegangenen Überleitungsteil führt die Umkehrung zu einem dramatischen Tiefpunkt. Nach einer erneuten Steigerung erscheint das Thema ungestützt in der ersten Violine. Im Anschluss an eine kurze Zwischenphase, in der Bratsche und zweite Violine auf leeren Saiten spielen, erklingt wieder eine Themenabspaltung. Der Themenkopf mündet in eine letzte große Steigerung. Das Thema erscheint noch einmal in seiner ursprünglichen Gestalt in der sordinierten Bratschenstimme, bevor der wirkungsvolle Abgesang anhebt, um dann im Nichts zu verklingen.
Das Streichquartett lebt ganz von einem Gedanken, der Erinnerung – Memento. Das Thema bleibt weitgehend unverändert, motivische Zusammenhänge sind allein auf der kontrapunktischen Basis (Umkehrung, Engführung etc.) erkennbar. Es wird mit Klangflächen gearbeitet, die durch kontrastreiche Veränderungen der Dynamik und des Tempos zu Höhepunkten geführt werden. Für die Tremoli ist das Tempo mit der Metronomzahl 132 teilweise extrem hoch! Eine Steigerung der Dramatik durch die Verdichtung des Klangs wird selten erreicht. Entfaltungen im Melos sind kaum wahrzunehmen. Hohe solistische Qualitäten der vier Streicher werden hier ebenso vorausgesetzt wie ein guter Quartettklang, der an Debussy und Bartók geschult ist.
Juliane Bally