Schmitt, Eric-Emmanuel

Mein Leben mit Mozart

Mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Ammann, Zürich 2005
erschienen in: das Orchester 02/2006 , Seite 74

Ist Wolfgang Amadeus Mozarts Musik oberflächlich oder zeichnet sie sich durch Leichtigkeit bei gleichzeitiger Tiefe aus? Sind Eric-Emmanuel Schmitts Bücher kitschig oder beherrscht der Autor die Kunst, an unsere Seelen zu rühren, ohne in leeres Pathos abzugleiten?
Mit der Erzählung Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran wurde der französische Romancier auch hierzulande berühmt. Sein Stil ist gekennzeichnet durch Heiterkeit, Leichtigkeit und Liebe zu den Figuren seiner Handlung – eine Gratwanderung, die sich im besten Fall von aller Erdenschwere löst, in weniger geglückten Passagen der Gefahr des allzu Süßlichen erliegt. So waren und sind die Meinungen geteilt: „ein unendlich zartes, schönes, liebevolles Buch“, urteilte Elke Heidenreich damals über sein Debüt in deutscher Sprache; über „Ringparabelblüten“ und „Streetworkerbeseeltheit“ machte sich jüngst ein Kritiker der Süddeutschen Zeitung lustig angesichts „jener genuin französischen Kitschvariante“.
Auch Eric-Emmanuel Schmitts Liebeserklärung an Mozart bewegt sich zwischen diesen Polen. Der Autor schreibt Briefe an Mozart, jener antwortet ihm durch Musik. Ein schöner Gedanke, der es Schmitt erlaubt, Mozart und damit auch uns sehr persönlich anzusprechen. Wir können teilhaben an diesem Dialog mit Hilfe der beiliegenden CD, die Ausschnitte aus 16 Werken enthält und das Verständnis von Schmitts Ausführungen erleichtert. Und während der Autor sich einerseits in manch banalem Wortgeklingel verliert oder zu sehr auf die Tränendrüse drückt – etwa wenn er zu Beginn wortreich davon berichtet, dass der Schulbesuch einer Probe von Figaros Hochzeit ihn davon abbrachte sich umzubringen –, so stößt er auf der anderen Seite in unerwartete Tiefen des Verständnisses von Mozarts Musik vor.
Auf raffinierte Weise überträgt Schmitt die geteilte Meinung in der Rezeption seines eigenen Schaffens auf Mozart: Auch hier mag es manche geben, die Mozarts Musik mangelnden Tiefgang unterstellen. Schmitt selbst bringt seine zeitweilige Entfremdung von Mozart auf den Punkt: „Du warst mir nicht mehr chic genug. In dem Intellektuellenmilieu wissensdurstiger junger Wölfe, […] in dem ich mich bewegte, innerhalb einer Gruppe, die eifrig zeitgenössische Musik besuchte, wo man nur vom Sprengen traditioneller Formen spricht, vom Verzicht auf Tonalität, […] in dieser Heerschar von Avantgardisten zu erklären ,Ich liebe Mozart‘ war irgendwie unpassend.“
Es wäre ein leichtes gewesen, von hier aus die Rückkehr auf den Pfad der Tugend zum Thema zu machen und antimodernistische Töne anzuschlagen. Doch Schmitt spielt die Moderne nicht aus gegen Mozart, sondern führt uns vor Augen, dass im vermeintlich Einfachen die höchste Kunstfertigkeit verborgen liegt. Und gerade in der Zauberflöte, seinem „Alterswerk“, sieht er den Höhepunkt von Mozarts kompositorischer Entwicklung: „Eines daran hat mich verwundert: Die kindlichste Deiner Opern […] ist Deine letzte Oper. Mit elf Jahren hast du weit ernstere, erwachsenere, gewichtigere, weniger kurzweilige Dramen komponiert. Das Kindlich-Spielerische kommt erst mit vorgerücktem Alter. Auch ich musste erst die Dreißig überschreiten, ehe ich Geschichten verfassen konnte, deren Protagonisten Kinder sind…“
Ist Khalil Gibran religiöse Erbauung oder Kitsch? Enthält Der kleine Prinz tiefere Weisheiten oder gefühlstriefende Ergüsse? Auch am „Kultautor“ Eric-Emmanuel Schmitt werden sich weiterhin die Geister scheiden.
Rüdiger Behschnitt