Hindemith, Paul
Mathis der Maler
Mit der Wahl von Paul Hindemiths oft als sperrig bezeichneter Oper Mathis der Maler als Eröffnungspremiere ihrer ersten Amtszeit als Intendantin der Staatsoper Hamburg und Generalmusikdirektorin der Philharmoniker Hamburg setzte Simone Young ein von Publikum und Kritik gleichermaßen positiv aufgenommenes Zeichen. Der nun in solider Klangqualität vorliegende Mitschnitt gelegentlich wirken die Sängern etwas zu weit in den Bühnenhintergrund gerückt, die dynamische Bandbreite der Musik scheint nicht ganz optimal eingefangen der Eröffnungspremiere vom 25. September 2005 aus der Hamburger Oper mit Mathis der Maler unterstreicht eindrucksvoll die Qualitäten der Dirigentin, aber auch die Leistungsfähigkeit des Hauses.
Hindemith komponierte den Mathis zwischen 1933 und 1935 in einer für sein Schaffen immer problematischer werdenden Zeit. Erst 1938 konnte die Oper in Zürich uraufgeführt werden. Die politische Situation der Entstehungszeit findet denn auch sozusagen subkutan, unter der Oberfläche ihren Niederschlag. Das Libretto schrieb Hindemith selbst. Im Zentrum des Werks, das Hindemith auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft zeigt, steht Matthias Grünewald. In sieben Bildern spannt Hindemith einen Bogen vom Antoniterkloster am Main über den deutschen Bauernkrieg bis hin zur legendären Entstehung des Isenheimer Altars und der Resignation, in der Grünewald seine Künstlerkarriere beendete: eine Parabel über die Verschränkung von Politik und Kunst, die Fragen an den Künstler stellt, zu seiner Rolle zwischen Politischem und Privatem. Der soziale Konflikt des Bauernkriegs wird durchkreuzt vom religiösen Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten. Das Personal der Oper steht für diesen Konflikt wie der reiche protestantische Mainzer Bürger Riedinger, der Mathis unterstützt und dessen Tochter Ursula in die religiös-politischen Auseinandersetzungen hineingezogen wird. Oder der Bauernführer Schwalb, eine Kämpfernatur, der Grünewald aus der Isolation des Künstlertums heraus in die Auseinandersetzungen hineinziehen will.
Simone Young und die gut disponierten Philharmoniker Hamburg der von Florian Csizmadia bestens vorbereitete Chor des Hauses steht der Orchesterleistung in nichts nach werden dem Formenreichtum der Musik ebenso wie ihrer glutvollen Expressivität, aber auch der Innigkeit gerecht. Mit Falk Struckmann singt ein heldischer Wagnerbariton die Titelpartie: facettenreich, die Zweifel ebenso wie den vermeintlichen Aufbruch überzeugend gestaltend. Scott MacAllister singt mit seinem sicher-kraftvollen Tenor den Albrecht von Brandenburg mit all den Widersprüchen des Kirchenfürsten, mit lyrischer Innigkeit überzeugt Inga Kalna als Regina, während Susan Anthony gelegentlich mit überscharfer Höhe die Ursula singt. Für die hohe Qualität des Ensembles stehen auch Pär Lindskog als Bauernführer Schwalb oder die Bassautorität von Harald Stamm als Riedinger. So ist der Mitschnitt nicht nur als Dokument der Leistungsfähigkeit der Hamburger Oper begrüßenswert, sondern auch als wichtige Ergänzung des Repertoires, gibt es doch bislang nur zwei verdienstvolle Studioproduktionen von Mathis der Maler.
Walter Schneckenburger