Döhl, Frédéric
Mashup in der Musik
Fremdreferenzielles Komponieren, Soundsampling und Urheberrecht
Die Geschichte des Plagiats in der Musik ist wahrscheinlich so alt wie die Musikgeschichte selbst. Denn wie jede Kunstform entsteht auch Musik bis heute nicht aus dem Nichts, sondern ist beeinflusst durch die Vielfalt bereits vorhandener Werke. Variationen über ein Thema von
ist da historisch noch der augenfälligste Hinweis auf die Verwendung oder Bearbeitung eines fremden Werks. Die subtileren Entnahmen einzelner Passagen, Stilelemente, Melodieschnipsel, Akkordfolgen etc. aus vorhandenen Musikstücken führt immer wieder zu erbitterten Streitigkeiten vor den Gerichten. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Titel meist in der Rock- oder Pop-Musik als Bestseller wirtschaftlich besonders erfolgreich ist. Die durch die fortschreitende Digitalisierung inzwischen beliebige technische Reproduzierbarkeit von Musik hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu völlig neuen Erscheinungs- und Verwendungsformen und neuen juristischen Problemen geführt. Da wird kopiert, gesampelt, gemischt, remixt etc.
Frédéric Döhl arbeitet als Jurist, ist aber auch Musikwissenschaftler. In seinem Buch, das die überarbeitete Fassung seiner Habilitationsschrift darstellt, befasst er sich sowohl mit der Geschichte als auch mit der aktuellen Lage der Nutzung fremder Werke in der Musik. Im ersten Kapitel geht es um die aktuelle urheberrechtliche Situation. Was darf ein sogenannter Mashup-DJ aus bereits vorhandenen, fremden Aufnahmen neu mischen und als eigenes Werk herausgeben? Kurz nach Erscheinen des Buchs der Autor wollte bewusst nicht abwarten hat das Bundesverfassungsgericht hierzu eine Grundsatzentscheidung getroffen, die es sogar auf die erste Seite der deutschen Tageszeitungen schaffte. Vereinfacht sagt das Bundesverfassungsgericht: Sampling (also die Übernahme kleiner Tonschnipsel aus fremden Aufnahmen) kann auch ohne ausdrückliche Genehmigung der Berechtigten zulässig sein, aber das daraus neu entstehende Werk darf nicht in wirtschaftliche Konkurrenz zum Original treten. Für die Klärung der Rechtsfrage ein Meilenstein, für die Zukunft aber auch Grundlage für neue Streitigkeiten.
Und um die zu bearbeiten, dürfte sich für Fachjuristen ebenso wie für Musikwissenschaftler, Komponisten und andere Nutzer bzw. Bearbeiter fremder Aufnahmen auch zukünftig der Blick in das Buch lohnen. Im zweiten Kapitel beschreibt der Autor die Geschichte und Ästhetik des Mashup-Genres, die in dieser Form nur mit der Entwicklung des Internets zu erklären ist. Der Interessierte findet hier zahlreiche prominente Beispiele neu veröffentlichter Werke, die Material älterer Fremdaufnahmen verwenden (was früher mit ausdrücklicher
Genehmigung auch schon möglich war).
Im dritten Kapitel geht es dann noch einmal vertieft um das Urheberrecht und Mashup, im vierten schließlich um die Frage fairer Nutzungs- und Vergütungsregelungen. Obwohl als wissenschaftliches Werk geschrieben, ist das Buch auch für Nichtjuristen sehr gut verständlich.
Gerald Mertens