Verdi, Giuseppe

Mariss Jansons conducts / Messa da Requiem

Krassimira Stoyanova, Marina Prudenskaja, Saimir Pirgu, Orlin Anastassov, Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: ArtHaus Musik 102 205
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 84

Nur weil Giuseppe Verdi vor 200 Jahren geboren wurde, hat man natürlich keinen besseren Zugang zu ihm. Das „Verdi-Jahr“ 2013 überhäufte den Markt aber mit zahlreichen Neueinspielungen seiner Werke auf CD oder DVD. Auch der Lette Mariss Jansons, Chef des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, entschied sich für eine Neuauflage der grandiosen Missa da Requiem auf DVD. Der goldene Saal im Wiener Musikverein bot dafür eine elegante Kulisse.
Das Requiem ist kein Bühnenwerk, aber durchaus opernhaft. Gleich nach der Mailänder Uraufführung 1874 in San Marco wurde es an der Scala gegeben. Verdi besetzte es außerdem mit seinen beiden Lieblingssängerinnen, die zeitgleich in Aida glänzten: der böhmischen Sopranistin Teresa Stolz (Aida) und der österreichischen Mezzosopranistin Maria Waldmann (Amneris). Begeisterte Verdi bei Stolz die lyrische Feinheit und dennoch kraftvolle Höhe, engagierte er Waldmann wegen der „guten Tiefe“ und dem „Wesen der Hochdramatischen“. Die Stimmfächer lassen sich von der Aida aufs Requiem übertragen: Ein Spinto-Sopran (jugendlich-dramatisch) und ein hochdramatischer Mezzo (mit Bühnenpräsenz) werden gebraucht. Hingegen sind die Männer einfacher zu besetzen, mit einem lyrischen Tenor sowie einem seriösautoritären Bass vom Typ Ramphis.
Vor diesem Hintergrund sind die Solisten dieser bayerischen Neuauflage gut gewählt. Die russische Mezzosopranistin Marina Prudenskaja verfügt über eine dunkel gefärbte, lodernde Tiefe. Ihr schnelles Vibrato wirkt angenehm, den hochdramatischen Charakter hat sie indes nicht – setzt jedoch gekonnt ihre Spitzentöne. Eine geschmackvolle Stimme „mit Kern“ besitzt auch der albanische Tenor Saimir Pirgu. Trotz lyrischer Qualitäten wirkt das „Ingemisco“ allerdings zu wenig beseelt, sein Auftritt insgesamt blass. Die bulgarische Sopranistin Krassimira Stoyanova, 2013 gefeierte Desdemona an der New Yorker Metropolitan Opera, fügt sich zunächst unauffällig (und mit viel Vibrato) in das Ensemble; ihr großer Auftritt im „Libera me“ zeigt dann ihre Qualitäten im lyrisch-dramatischen Bereich. Ideal der bulgarische Bassist Orlin Anastassov: Er singt voluminös und wohlklingend, bei manchen Passagen bemerkenswert weich und innig.
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gefällt durch aufgefächerten Streicherklang und Virtuosität (der geforderten Blechbläser). Auch der erfahrene Chor entfaltet seine Vorzüge als sensibler Gestalter (beispielhaft schlicht etwa das Agnus Dei). Denn Jansons legt Wert auf ein weites dynamisches Spektrum, lässt am Anfang wirklich sehr leise und zart musizieren und bevorzugt ein selbst bei den Kraftstellen rundes, im Detail strukturiertes Klangbild. Opernhafte Al-Fresco-Manier oder Sprechgesang im Chor sind nicht sein Fall, er zelebriert das Werk eher. Ein großer Abend wurde hier festgehalten. Allein: Das furiose Dies irae ist filmisch und klanglich durch Carlo Maria Giulini (BBC, 1968) oder Semyon Bychkov (BBC Proms 2011) schon packender inszeniert worden.
Matthias Corvin