Fürst, Marion
Maria Theresia Paradies
Mozarts berühmte Zeitgenossin
Unbegreiflich und unglaublich ist das Spiel des lieblichen Mädchens, die auch unter den Sehenden nur wenige Virtuosen ihresgleichen hat, schwärmte ein Zeitgenosse über die blinde Pianistin und Komponistin Maria Theresia Paradis. Eine umfängliche Monografie über sie fehlte bislang im deutschen Sprachraum und Marion Fürst hat sich allein schon durch das Sammeln und Verwerten der verstreuten Quellen, die sie mit den Ergebnissen aus der Sekundärliteratur verbindet, Verdienste erworben. Die Autorin verweigert sich der herkömmlichen musikwissenschaftlichen Methode, Musikwerke mit den im musikalischen Kanon der Zeit enthaltenen Spitzenwerken zu vergleichen und Kleinmeister(innen) von den großen Meistern abzusetzen. Sie ist vielmehr bemüht, die musikalische Betätigung von Maria Theresia Paradis in den Entstehungs-, Lebens- und Sozialkontext einzubetten und dadurch verständlich zu machen.
Die Erblindung des musikalisch hochbegabten Mädchens und die Torturen, die es erleiden musste beim Versuch, das Augenlicht wiederherzustellen, werden in der Krankengeschichte ausgebreitet, wobei sich die Autorin ohne jegliche Spekulation an die Quellen hält. Als 24-Jährige trat Paradis eine fast dreijährige Vortragsreise an, obwohl Zeitgenossen bereits Frauen ohne Behinderung vor dem Reisen warnten, da es ihnen als weibliche Wesen an Selbständigkeit und Festigkeit des Charakters gebreche. Mit Hilfe des Stammbuchs der Künstlerin, in das sich viele Berühmtheiten eintrugen, sowie verstreuter zeitgenössischer Zeitungs- und Einzelberichte wird die Tournee nachvollzogen und mit Informationen über die kulturelle Situation in den jeweiligen Städten verbunden.
In Wien entwickelte Paradis nach ihrer Rückkehr eine rastlose Konzerttätigkeit vor allem im eigenen Heim, und die Gründung einer Musikschule für junge Frauen war 1808 eine absolute Neuheit. Auf die fantasievolle Ausschmückung ihrer Person in Romanen und Filmen, über die Fürst in einem gesonderten Abschnitt referiert, könnte man verzichten, nicht dagegen auf die Besprechung ihrer Musikwerke, die behutsam und kenntnisreich vorgenommen wird. Die bevorzugte kleine Liedform, das Streben nach Natürlichkeit, die Bescheidenheit: das klingt alles traditionell weiblich. Eine genderspezifische Einschätzung wäre aber angesichts des Sonderstatus der Blindheit und des nur bruchstückhaft erhaltenen Schaffens wohl eher spekulativ und so hält sich die Autorin in dieser Hinsicht klug zurück. Es bleibt der Eindruck von einer hochbegabten Musikerin, die ihre Möglichkeiten bis zum Äußersten ausschöpfte und mit Liedern, Klavierfantasien und Singspielen Beachtliches schuf.
Eva Rieger