Wendt, Gunna
Maria Callas
Die Kunst der Selbstinszenierung
Giancarlo Tanzi gehört zur Heerschar derer, die ihr erlegen sind: 1955 hörte er Maria Callas zum ersten Mal im Radio singen und begann fortan alles zu sammeln, was mit ihr und ihrer Gesangskunst zu tun hat. 1973 lernte er sie persönlich kennen und 1994 gründete er den Verein per/für Maria Callas, der seither zahlreiche Veranstaltungen zu Ehren der Diva initiiert und organisiert.
Fotos aus Tanzis Sammlung waren Bestandteil der Ausstellung Maria Callas oder Die Kunst der Selbstinszenierung, die von Februar bis Mai 2006 im Deutschen Theatermuseum München gezeigt wurde vom 1. Juni bis 17. September 2006 wird sie im Österreichischen Theatermuseum Wien (Lobkowitzplatz 2, Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr) zu sehen sein, kuratiert jeweils von Gunna Wendt.
Die Schriftstellerin Wendt war es, die den klugen Katalogtext geschrieben hat, wofür ihr nicht zuletzt Tanzi und Callas-Biografin Claudia Balk in zahlreichen Gesprächen Stoff geliefert haben. Der rote Faden der spannend und gut zu lesenden Biografie ist der Aspekt der Selbstinszenierung der Sängerin Callas am Beispiel der Opern La Traviata, Tosca, Medea und Norma sowie des Films Medea. Maria Callas überließ nichts im Leben dem Zufall oder nur dem Talent, sondern erarbeitete sich ihre bis heute unerreichte Spitzenposition als Sängerdarstellerin mit Disziplin und Fleiß.
Legendär ist ihre Fähigkeit, eine Opernfigur lebendig werden zu lassen. Wer sie sah, konnte sich ihrer Faszination nicht entziehen, auch jene, die über die Schönheit ihrer Stimme haderten. Der Dirigent Tullio Serafin, befragt, ob er diese für schön oder für hässlich hielte, beschrieb das Phänomen Callas so: Welche Stimme, die als Norma, Violetta, Lucia? Dann gab es noch ihre Medea, Isolde, Amina ich könnte noch mehr nennen. Verstehen Sie, sie hatte für die unterschiedlichen Rollen verschiedene Stimmen. Ich habe viele Stimmen der Callas kennen gelernt. Sie können mir glauben, ich habe nie darüber nachgedacht, ob ihre Stimme schön oder hässlich ist. Ich weiß nur, dass es stets die richtige war, und das ist mehr als schön.
Die Fotografien im Buch zeigen uns Nachgeborenen die Sängerin auf den berühmten Opernbühnen der Welt und auf der Bühne des Lebens. Man wird nicht satt, ihre Schönheit, Wandlungsfähigkeit und Ausdrucksvielfalt zu bewundern.
Ein gelungenes und empfehlenswertes Buch, dem nur ein kleiner Mangel anhaftet, eine sprachliche Political-Incorrectness: Immer wieder heißt es die Callas, nie jedoch der Bernstein oder der Visconti oder der Pasolini. Bei Männern genügt der Nachname, bei Frauen muss ein die dazu. Warum nur?
Andrea Raab