Tajani, Ricci

Maria Callas

The Cruise ’59 – Biografie einer Reise

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2006
erschienen in: das Orchester 03/2007 , Seite 78

Die Primadonna assoluta des 20. Jahrhunderts, das vergötterte Idol, das größte Stimmphänomen aller Zeiten: Die Beschreibungen überschlagen sich, wenn es darum geht, die Stimme der Sopranistin Maria Callas zu charakterisieren. Über keine Sängerin der Welt wurden so viele Bücher veröffentlicht wie über sie. Ihr Werdegang von der plumpen, schlecht angezogenen Anfängerin zur hocheleganten Diva hat ebenso viel Interesse auf sich gezogen wie ihre Stimme, wobei sich zahlreiche Phänomene überlagern: ihr ungeheurer Fleiß, ihre ungewöhnliche Bühnenpräsenz, die unverwechselbare Stimme, das pädagogische Talent, die Verwandlung ihres Äußeren, die Beziehungskrisen – das alles vermag noch heute zu faszinieren.
Ricci Tajanis opulenter Bildband nimmt sich einen schicksalhaften Abschnitt ihres Lebens vor und verfolgt die Mittelmeerkreuzfahrt im Jahr 1959, zu der der milliardenschwere Reeder Aristoteles Onassis das Ehepaar Meneghini-Callas einlud. Auf den ersten fünfzig Seiten werden die Jahre bis zu dieser Reise gestreift – so erfährt man etwas über die Zeit der fünfziger Jahre, als Maria Callas erstmals im Zentrum des Medieninteresses stand, über ihre Auftritte in der Mailänder Scala und ihre Besuche in Venedig und Monaco. Es folgt die chronologische Darstellung der Kreuzfahrt, begleitet von eindrucksvollen Bildern.
Bedenken, hier könnte der Klatsch neue Nahrung finden, schwinden angesichts der wohltuend sachlichen und kenntnisreichen Kommentare der Autorin. Die zum Teil bisher unveröffentlichten Fotos zeigen eine genuss- und verwandlungsfreudige Künstlerin, die es mit dieser Kreuzfahrt bis nach ganz oben „geschafft“ hat.
Mit der Liebe zu Onassis entfernte sie sich von der Sicherheit, die ihr erster Mann ihr gegeben hatte, und betrat gefährliches Neuland. Später musste sie erleben, dass sie für Onassis nur eine Trophäe auf seinem eigenen parvenühaften Weg nach ganz oben war. Dass eine so stark wirkende, geniale Frau dermaßen unter dieser Liebesaffäre litt, diese Mischung aus traditionell weiblicher Schwäche und künstlerischer Größe rief beim Publikum Bewunderung wie Aggression gleichermaßen hervor.
Hiervon ist aber in dem Bildband aufgrund seiner zeitlichen Begrenzung nicht die Rede. Er zeigt den Zauber einer exotischen Inselwelt, gekoppelt mit der Eleganz einer extravaganten Oberschicht, und lässt bei der Betrachtung der Bilder Raum für eigene Auslegungen. Im Mittelpunkt steht die Künstlerin, die sich wie in ihren Bühnenrollen mit höchst raffinierter, effektvoller Kleidung in immer neuen schillernden Outfits präsentiert und das Glück einer Frau ausstrahlt, die das Leben so intensiv anpackt, als sei es eine neue Rolle – nur dass sie die Erfolge auf der Bühne im Leben dann doch nicht kopieren konnte.
Eva Rieger