Albrecht, Christoph (Hg.)

Marco Arturo Marelli – “Ich höre den Raum”

Arbeiten für die Oper des Regisseurs und Bühnenbildners

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel, Leipzig 2010
erschienen in: das Orchester 09/2010 , Seite 61

Bei kaum einem anderen Regisseur und Bühnenbildner ist ein opulenter Bildband, der das Schaffen ausgiebig würdigt, so angebracht wie bei Marco Arturo Marelli. Denn der mit „Ich höre den Raum“ betitelte Band zeichnet den Weg dieses „Theater-Glückskinds“ von den Anfängen an der Hamburger Staatsoper, wo er als Bühnenbildassistent schon 1973 für den Ballettabend Meyerbeer/Schumann von John Neumeier einen Entwurf realisieren konnte, über den Weg durch die Theater-Provinz bis nach Wien nach, wo er für Staats- und Volksoper gleichermaßen vom Publikum geschätzte Produktionen in Personalunion von Regisseur und Bühnenbildner schuf.
Man mag das Geleitwort des Intendanten der Wiener Oper Ioan Holender zwar als zu emphatisch empfinden, der bei Marelli von einer „einsamen Konstante der Qualität spricht“. Und dass dieser wirklich „als Regisseur und Bühnenbildner die großen Opernhäuser von Wien, Dresden, Berlin und Hamburg hinsichtlich der Sicherheit des Stiles, der werkadequaten Ästhetik und der Personenregie wie kein anderer geprägt habe“, scheint doch sehr übertrieben. Aber bei der Durchsicht des Bandes mit hervorragend ausdrucksstarken Farbaufnahmen wird auch dem klar, der Marellis Arbeit nicht ohne kritische Distanz betrachten möchte, wie viele bedeutende und lange im Repertoire der Opernhäuser verbleibende Inszenierungen er geschaffen hat.
Der Herausgeber Christoph Albrecht, ein Weggefährte Marellis seit dessen Hamburger Anfängertagen, legt den Grundtenor im Vorwort („Begegnung mit einem Sonntagskind“) fest. Und es ist wirklich erstaunlich, was der Regisseur und Bühnenbildner mit „seiner kongenialen Kostümpartnerin Dagmar Niefind“ (Albrecht) geschaffen hat. Dass ebenso wie Albrecht die weiteren Autoren des Bandes wie Oliver und Andreas Láng Mitarbeiter und langjährige Weggefährten Marellis sind, garantiert einerseits eine genaue Kenntnis der Arbeitsweise Marellis, lässt leider auch zumindest gelegentlich eine durchaus hilfreiche kritische Distanz vermissen.
Da der Band nicht chronologisch vorgeht, sondern nach Komponisten geordnet ist, wird es dem Betrachter nicht leicht gemacht, die Entwicklung von Marellis Bildsprache nachzuvollziehen, die vom Illustrativen hin zu
einer das Geschehen interpretierenden Räumlichkeit verläuft – um es vereinfachend zu beschreiben. Verblüffend ist die Vielfalt der Werke, die in Auswahl zwischen 1984 bis 2010 hier präsentiert werden. Bis hin zur bei der Drucklegung des Buchs noch im Planungsstadium befindlichen Uraufführung von Reimanns Medea an der Wiener Staatsoper reicht die Auswahl. Eine besondere Rolle im Schaffen Marellis spielt Richard Strauss, zumal auch dessen weniger häufig gespielte Opern wie die Schweigsame Frau oder die Ägyptische Helena.
So ist diese Hommage an einen der bedeutenden Theatermacher eine, die von der Kraft der Bilder lebt. Bei den Textbeiträgen hätte man sich, so profund sie im Detail über die Zusammenarbeit mit Marelli berichten mögen, gelegentlich etwas mehr kritische Distanz und einen breiteren Blick gewünscht, der auch über das Bewundernde hinausgeht.
Walter Schneckenburger