Denhoff, Michael
Maramba op. 100
für Flöte und Celesta
Töne, die vereinzelt in die Zeit dringen, sich darin verlieren, sich darin finden. Töne, die seltsam zusammenhanglos aus dem Nichts zu kommen scheinen und dann doch schnell eine Form finden. Töne, die scheinbar an Leuchtfäden hin- und herpendeln, sich miteinander vermischen, sich gegenseitig anschubsen, sich ins Wort fallen, aus dem leichten Plaudern zum Erzählfluss werden: Maramba ist ein Klang vieler Farben, ein zum Wort geronnener Wohl- und Wehelaut, ein Fantasiebegriff aus der Literatur.
Die Komposition für Flöte und Celesta ist nicht das erste von der Literatur beeinflusste Werk des 1955 in Ahaus geborenen Komponisten: In zahlreichen Werken für die unterschiedlichsten Instrumentalkombinationen spiegelt sich Michael Denhoffs enge Beziehung zu den musischen Nachbarkünsten wider. So findet sich auch in der vorliegenden Komposition für Flöte (auch Bassflöte) und Celesta (Klavier) aus dem Jahr 2005 ein zutiefst beredter Stil, der zugleich flüchtiges Klangereignis und nachhaltige Sprachassoziationen verbindet: Denhoff komponierte Maramba beeindruckt von der Lektüre des gleichnamigen Buchs der mit 21 Jahren tödlich verunglückten österreichischen Autorin Paula Köhlmeier. Köhlmeier zeichnet in ihren 47 Kurzgeschichten flüchtige Beziehungen; was ihre Figuren sich zu sagen haben, dauert eine Zigarette und die Liebe hält selten länger (Martin Halter, FAZ, 24. August 2005).
Schillernd und zauberhaft also; und so stellt die ungewöhnliche und doch nicht zuletzt seit Tschaikowsky umso märchenhaftere Kombination Celesta/Querflöte mit ihrem sphärischen, schwebenden Potenzial eine kongeniale Adaptierung der Lektürenemotion in Musik dar; ein Eindruck, der durch die Klangflächen evozierende Pedalisierung und den Einsatz von Viertel-, Dreiviertel- oder auch Sechsteltönen in der Flöte noch gestärkt wird. Flimmernde Klangstrukturen entstehen durch die Überlagerung von Dissonanzen, die sich im Nachhall abschwächen und durch neue, insbesondere in der Flöte sich intensivierende Motivsteigerungen in wiederbelebte Impulse gewandelt werden.
Ein intensiver Dialog entsteht zwischen Flöte und Celesta; die Musiker werden in der komplexen Anlage vor äußerst reizvolle Herausforderungen gestellt. Rhythmisch raffiniert entwickelt sich aus dem zart fragenden Anfang ein emotional instabiles, agogisch unruhiges Austarieren der schmerzvollen Süßigkeit. Denhoff lotet hier in einer fast Skrjabin vergleichbaren monodynamischen Annäherung an die Stille gezielt den unteren Lautstärkebereich aus, in der die Pausen in den Instrumenten phasenweise beinahe mehr Bedeutung erlangen als die Melodiefetzen. In diese Stille eingeflochtene flimmernde Vibrationen verleihen dem Werk zusätzlichen Reiz. Denhoff schuf mit Maramba ein faszinierendes Konzert-Kabinettstück.
Christina Humenberger