J. S. Bach / Hindemith / Stahmer / Reger
Made in Germany
Bereits mit zwei intelligent konzipierten CDs umkreiste Herwig Zack, Professor für Violine und Musik an der Hochschule für Musik in Würzburg, während der vergangenen Jahre das Repertoire für solistische Violine. Wie diese Produktionen zeichnet sich auch Zacks neueste Veröffentlichung durch Herstellung werkübergreifender Kontexte aus: Unter dem Titel Made in Germany verbindet der Geiger die Musik Johann Sebastian Bachs mit ihrer von Max Reger formulierten klassizistischen Neuauflage und den voller Bach-Bezüge steckenden Solowerken Paul Hindemiths. Diese geigerische Tour de force beginnt mit der Wiedergabe von Bachs Solosonate Nr. 1 g‑Moll BWV 1001, bei der Zack sowohl eine bloß historisierende Klanglichkeit wie auch einen übermäßig romantisierenden Anstrich vermeidet und stattdessen einem von stilistischen Erwägungen diktierten Umgang mit Klanggebung und Vibratoeinsatz folgt. Die verzweigte Kantabilität des Kopfsatzes stimmt er in ruhigen Bögen an, die Fuge lässt er in logischer Temporelation und raschem Tempo folgen, wobei seine Darstellung durch Sicherheit in den schwierigen Passagen und durch Klarheit bei der Umsetzung des kontrapunktischen Gewebes geprägt ist. Das Adagio wiederum ist klangschön vorgetragen, während Zack dem Presto mit leichtem Nachdruck bei der Bogenführung einen gewissen Biss verleiht.
Indem der Geiger dieser Sonate die Hindemithschen Solowerke gegenüberstellt, macht er sowohl auf verbindende Elemente wie auch auf distanzierende Verfahren aufmerksam. Die Sonate g‑Moll op. 11/6 (1917/18), eindrucksvolles Zeugnis eines zwischen Klassizismus und virtuoser Musik hin und her gerissenen jungen Komponisten, wird von den beiden Sonaten op. 31 (1924) flankiert und zuletzt durch das Fragment der um 1922 entstandenen, nie vollendeten Solosonate ergänzt. Zacks Zugang besticht dadurch, dass er zwar auch dort die klassizistischen Elemente aus Hindemiths Werken herausarbeitet, wo der Komponist eine dezidiert moderne Haltung einzunehmen scheint, dass er aber zugleich auch dem bei anderen Interpreten oft vernachlässigten skurrilem Humor nachspürt.
Am fernsten ist der Geiger der Musik Bachs, wenn er sich in den Geretteten Blättern (2011/13) den differenzierten Klangvorstellungen Klaus Hinrich Stahmers hingibt, die auf ganz eigene Weise einen Bezug zum Titel der CD herstellen. Denn Stahmer entwirft seine Musik auf der Basis einer Montage aus Zitatsplittern, die er den Werken von Komponisten entnimmt, die während der Nazizeit als verfemt galten. Diesem mahnenden Erinnern entspricht Zack durch raschen Wechsel der geigerischen Ausdrucksmittel, dabei sowohl die zarten als auch die grotesken Momente des Werks unterstützend. Mit Regers Chaconne g‑Moll op. 117/4 kehrt der Geiger dagegen am Ende wieder zum Bach-Bezug zurück. Und auch den Charakter dieses Werks vermag er trefflich einzufangen, indem er den Vortrag passend zum Bach-Bild der Jahrhundertwende durch wohldosierte Portamenti auflockert.
Stefan Drees