Kilger, Gerhard (Hg.)
macht musik
Musik als Glück und Nutzen für das Leben
Der Doppelsinn ist durchaus gewollt: Macht Musik oder macht Musik, die Ausstellung und der Begleitband der DASA (Deutsche Arbeitsschutzausstellung) befassen sich mit nahezu allen Aspekten der Musik, von ihrer Entstehung hin zu ihrem Nutzen, ihren sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Auswirkungen. Verantwortlich für die DASA ist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Die 1993 in Dortmund eröffnete Deutsche Arbeitsschutzausstellung soll über die Arbeitswelt und ihren Stellenwert in der Gesellschaft informieren. Die DASA verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, den Arbeitsschutzgedanken in die ganzheitliche Beantwortung der Frage von Wettbewerbsfähigkeit, Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit einzubeziehen und dafür eine überzeugende, für die Zukunft tragfähige Perspektive anzubieten.
In einem sehr weit gefassten Sinn befasst sich auch die interaktive Ausstellung macht musik der DASA mit solchen Zielsetzungen. Gerhard Kilger, der Leiter der DASA, zeichnet zugleich als Herausgeber des Begleitbandes verantwortlich. Die Ausstellung ist als Music Village gebaut: Die 13 Häuser des Music Village gruppieren sich in Dortmund um einen Platz wie eine Piazza. Durch eigenständiges Erkunden und Entdecken lassen sich die Häuser erschließen und in jedem Haus unerwartete Seiten der Macht der Musik entdecken.
Solche Möglichkeiten hat eine Publikation indes nur in begrenztem Umfang. Als reiner Ausstellungsführer ist der Band nicht konzipiert, als eine direkte Gebrauchsanweisung für die einzelnen Stationen von macht musik ist der Band auch nur eingeschränkt nutzbar. Vielmehr bemühen sich die hier versammelten Autoren, nahezu jeden Aspekt von Musik und Musik-Machen zu beleuchten. Hörphysiologische, soziale, historische, aber auch aufführungspraktische Aspekte werden hier auf unterschiedlichem Niveau ausgebreitet. Dabei nehmen Fragen der Rezeption von Musik immer wieder breiten Raum ein.
Oft ist es aber so, dass wichtige Ansätze etwas zu knapp angerissen werden, ohne dann mit der notwendigen Tiefe behandelt werden zu können. So versucht Gernot Böhme in Von der Sphärenharmonie zum Soundscape im Schnelldurchlauf einen Blick auf die mathematischen Prinzipien, die hinter der Musik stehen. Armin Köhler befasst sich in Die Befreiung des Klanges mit der neuen Wertigkeit, die das Geräusch bei Komponisten des 20. Jahrhunderts erhält, während die berühmte Sängerin Brigitte Fassbaender Die Macht des Gesangs aus der Praxis heraus zu umreißen sucht. Pierre Boulez äußert sich zu der besonderen Situation von dirigierenden Komponisten oder komponierenden Dirigenten, ohne das Phänomen auf einfache Schlagworte reduzieren zu wollen. Sehr interessant ist Marietta Morawska-Büngelers Abriss über die frühen Jahre der elektronischen Musik am WDR-Studio Köln, während Reinhold Wagnleitner auf wenigen Seiten die These vom Jazz als klassischer Musik der Globalisierung vertritt. Dieser Ansatz hätte sicher eine weit ausholendere Beschäftigung gerechtfertigt. Zum Pop-Musikmachen in Zeiten totaler Kommerzialisierung gibt Abi von Reininghaus einige interessante Fragestellungen vor, während Thomas Deitmer sehr explizit die Schäden am Hörorgan durch Musik darstellt. Über das Problem über Musik zu schreiben äußert sich der renommierte Musikkritiker Joachim Kaiser, während Christian Kaden in seinem Beitrag Musik und Macht ein Generalthema der Ausstellung sehr knapp anreist.
macht musik wirkt wie ein sehr anregungsreiches Puzzle, das Fragen aufwirft und erste Versuche einer Beantwortung macht. Der Reiz des Bandes besteht in vielen Momenten darin, die Ansätze der Autoren weiterzudenken und das eigene Verhältnis zu Musik und Musikmachen zu überprüfen.
Walter Schneckenburger