Kaiserkern, Babette

Luigi Boccherini

Leben und Werk. Musica amorosa

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Weimarer Verlagsgesellschaft, Weimar 2014
erschienen in: das Orchester 10/2014 , Seite 64

Gott mag die Menschen zwar mit Haydn-Klängen beglücken; doch wenn er sich selbst vergnügen wollte, so würde er Boccherini hören – dieses Bonmot eines französischen Geigers machte zu Lebzeiten Luigi Boccherinis in ganz Europa die Runde.
Babette Kaiserkern hat nun eine Darstellung von Leben und Schaffen des Cello spielenden Komponisten vorgelegt, dessen Stern nach seinem Ableben alsbald sank. Bei der Recherche für die erste umfängliche deutsch­sprachige Boccherini-Biografie sah sie sich einer schwierigen Quellenlage gegenüber: Der Komponist hinterließ nur wenige Dokumente, darunter rund 30 Briefe. Die Entstehung etlicher Werke liegt im Dunkeln.
Der in Lucca geborene Musiker ließ sich nach einigen Konzertreisen in Madrid nieder, wo er für den spanischen Hof tätig war, und von dort aus ab 1787 zugleich als Preußischer Hofcompositeur; seine Kammermusik schickte er per Pferdepost nach Potsdam. Dabei sind weder ein Aufenthalt Boccherinis im Brandenburgischen noch eine persönliche Begegnung mit dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. bezeugt. Der Monarch teilte jedoch die Leidenschaft für das Violoncello mit Boccherini, der in seine Kompositionen die neuesten spieltechnischen Errungenschaften für dieses Instrument einbezog.
Babette Kaiserkern zeichnet ein lebendiges Bild von der elfjährigen Regentschaft Friedrich Wilhelms. Der König war, anders als sein Onkel Friedrich II., mit seinen ästhetischen Vorlieben auf der Höhe der Zeit. Er förderte Hofoper, Hofkapelle und das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt; außerdem ließ er eine Reihe klassizistischer Bauten und Parkanlagen errichten, so auch den holzgetäfelten Palmensaal der Orangerie im Potsdamer Neuen Garten. Hier fanden bei exzellenter Akustik allabendlich Konzerte statt, an denen sich der König als Cellist beteiligte.
Im Buch wechseln biografische Abschnitte mit solchen zum vorwiegend kammermusikalischen Werk Boccherinis, in dessen Zentrum rund 100 Streichquartette und 125 Streichquintette stehen. In der Quintettbesetzung mit zweifachem Cello reizte Boccherini die Bandbreite zwischen sattem Vollklang und raffiniertem Kontrapunkt aus; er entfaltete die Gleichberechtigung der fünf Instrumente und bezog moderne Musikstile ebenso ein wie die spanische Folklore.
Zum Abschluss erläutert Kaiserkern, warum einer der originellsten Komponisten des 18. Jahrhunderts nach seinem Tod in Vergessenheit geriet: Boccherinis liebliche, subtile Musik kam in den immer größer werdenden Konzertsälen kaum noch zur Geltung. Zweitens passt ein an der Wiener Klassik ausgerichteter Maßstab nicht auf einen Komponisten, dem es kaum um strenge thematische Arbeit, sondern um das Auskosten von Stimmungen ging. Und schließlich bevorzugte das Publikum im Zeitalter aufkommender Nationalstaaten einheimische Komponisten. Erst seit einigen Jahrzehnten wird Luigi Boccherini wiederentdeckt. Babette Kaiserkerns anregendes, flüssig formuliertes Buch ist ein weiterer Beitrag zur Rehabilitierung dieses einfallsreichen Komponisten.
Antje Rößler