Korff, Malte

Ludwig van Beethoven

Leben – Werk – Wirkung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Suhrkamp, Berlin 2010
erschienen in: das Orchester 09/2010 , Seite 59

Kurzmonografien zu schreiben, ist eine ganz besondere Kunst. Die Beschränkung auf Wesentliches erfordert ganz eigene Fähigkeiten, man muss schnörkellos schreiben, auf den Punkt, exakt den Erfordernissen entsprechend. Nur rund 130 Seiten hat der Autor Platz, die restlichen 30 Seiten sind einer Zeittafel, einer Bibliografie und verschiedenen Registern vorbehalten. Auf diesen 130 Seiten sollen in der Suhrkamp-Reihe Leben, Werk und Wirkung dargestellt werden. 60 Seiten widmet Malte Korff ei-ner Lebensbeschreibung, konzise und klar formuliert, mit stetem Blick auf Beethoven selbst und seine Zeit, sein Umfeld gleichermaßen, sodass wir den Komponisten nicht im luftleeren Raum erleben, sondern als Menschen, als soziales wie als asoziales Wesen. Einfühlsam fasst Korff die Widersprüchlichkeit Beethovens zusammen und versucht auch Biografik und Schaffen zu verknüpfen.
In dem Abschnitt „Werk“ sucht der Autor Beethoven musikhistorisch zu verorten, doch da die Querverbindungen zu Cherubini, Clementi, Pleyel oder Hummel zu kurz kommen, treten hier Schwächen des Buchs zu Tage. Wie will man das Schaffen eines Komponisten einschätzen, wenn man das Umfeld fast konsequent ausblendet? Hier hätte Korff eine weniger wertende, stärker faktenverbundene Sichtweise gut angestanden. Leider verfällt er in Vokabular, das in Zeiten historisch informierter Aufführungspraxis nicht mehr opportun sein kann. Auch erkundet Korff keineswegs die Randbereiche von Beethovens Schaffen, erwähnt die Ouvertüren von Schauspielmusiken oder dem Ballett Die Geschöpfe des Prometheus, aber nicht diese Kompositionen selbst (ein dem Band fehlendes Werkverzeichnis macht die Situation nicht besser). Fraglos spielen hier auch Platzgründe eine Rolle, doch wäre es sicher möglich gewesen, auch auf dem knappen Raum von gut 40 Seiten unter Weglassung von Wertungen eine angemessenere Würdigung von Beethovens Schaffen vorzulegen.
So schwierig es ist, Beethovens Schaffen in aller Knappheit vorzustellen, umso schwieriger ist es, die gesamte Beethoven-Rezeption auf 20 Seiten zusammenzufassen. Beethoven ist ein international zu bedeutender Komponist, und so wirft Korff lediglich Schlaglichter auf ausgewählte Bereiche. Hierdurch wird dieser Abschnitt aber auch ein wenig beliebig – jedem Leser mögen eigene wichtige Bereiche fehlen. Es fällt auf, dass die kompositorische Rezeption Beethovens ebenso wie die internationale Beethoven-Rezeption vollständig ausgespart bleiben, während sich in dem Bereich der „kommerziellen“ Beethoven-Rezeption durch Bild-, Tonträger, Literatur und Merchandising teilweise wieder unangemessene Wertungen finden, die nicht in einen Führer zu dem Komponisten gehören.
Jürgen Schaarwächter