Lost swing
Der Titel Lost swing und das Cover dieser CD wirken auf den ersten Blick ein wenig nostalgisch und melancholisch, doch wenn man die ersten Takte von There will never be another you aus dem Musical Iceland von 1942 hört, merkt man sofort, dass es hier weniger um etwas verstaubtes Vergangenes geht, sondern viel mehr um etwas sehr klangvolles Lebendiges! Mit einer gelungenen Kombination aus Standards des Jazzrepertoires und zeitgenössischen Stücken entlockt Klarinettist Wolfgang Weth seinem Instrument nicht nur gesangliche Qualitäten, sondern bringt auch äußerst feinsinnige Interpretationen zu Gehör. Weth ist ein Klassiker, der auf Jazz-Pfaden wandelt und sein Instrument meisterhaft in Es-, B- und Bass-Lage beherrscht. Nach seinen Studien an der Hochschule für Musik in Würzburg und Caen spielte er zunächst in Lübeck, Baden-Baden und Würzburg, bevor er Soloklarinettist der Badischen Staatskapelle wurde und klassische Klarinette an der Musikhochschule Karlsruhe lehrte. Seine behutsame Art, Klassik und Jazz miteinander zu koalieren, gelingt ihm und seinen Kollegen aus dem Opera Swing Quartet immer wieder erfolgreich aufs Neue.
Ein Höhepunkt auf der CD ist die Einspielung von Erroll Garners Misty, einfühlsam bringt der Klarinettist die feine Melancholie dieser Ballade zum Klingen. Man glaubt fast Nebelschwaden in einsamer Herbststimmung vorüberziehen zu sehen. Die Höhen und Tiefen zweier gemeinsam durchs Leben wandernder Menschen werden temperamentvoll in Makin Whoopee! umgesetzt. Hoagland Howard Hoagy Carmichael komponierte den Song Georgia on My Mind im Frühjahr 1930 und spielte ihn im Herbst desselben Jahres ein, wobei er selbst den Gesangspart übernahm. Lullaby of Birdland, die Hommage an den nach Charlie Bird Parker benannten Jazzclub Birdland, kommt so leichtfüßig und heiter daher, dass man sich förmlich in die Szenerie einer Jamsession der 1950er versetzt fühlt.
Zum Swing gesellt sich südamerikanische Stimmung, zwei Bossa Nova geben dem verlorenen Swing eine besondere Würze: Piazzollas Adios noniño und die Huldigung an den Meister des Bossa Obrigado Carlos. Lost swing, der Titelsong, lässt die Instrumentalfarben von Weths Mitstreitern schillern und der Klarinettist brilliert mit seinem Instrument. Der Mond ist aufgegangen leitet hauchzart den Standard Moonlight in Vermont ein. Eine weitere Ode an den Mond ist Morgan Lewis um 1940 erstmals am Broadway vorgestelltes Stück How high the moon. Manchmal meint man, Ella Fitzgerald im Hintergrund mitsummen zu hören. Friedvoll und sanft klingt Wolfgang Weths musikalische Frage What can I say after I say Im sorry. Man fragt sich, kann es da überhaupt noch eine Steigerung geben? Der wahrscheinlich historisch wertvollste Standard ist Rose room oder auch In sunny Roseland genannt von 1917, der in der Swing-Ära seine größten Erfolge erlebte. Ausdrucksvoll reichen sich Gospel und Blues in der Hymn to freedom von Oscar Peterson die Hand. Kurz und gut: Die Musik auf dieser CD ist eine Freude für die Seele und die Ohren!
Juliane E. Bally