Brandmüller, Theo
Löwe, leih mir deine Stimme / Antigone/Norge Bergresonanzen mit Hirtenrufen / Ach, trauriger Mond
Ein Monodram über Luzifer leitet diese Produktion mit Werken von Theo Brandmüller ein: Löwe, leih mir deine Stimme. Diese martialische Überschrift bestimmt den Duktus der Dichtung von Johannes Kühn: Einen christlichen Prometheus stellt er dar, der der Allmacht des Herrschergottes Hohn spricht und sein eigenes Schattendasein wortreich preist. Allerdings ist er auch den Menschen nicht allzu wohlgesonnen: Zwar gründet er Herrschaften, über die er [sc. Gott] stolpert; seine letzten Gedanken jedoch sind Mord und Auslöschung des Lichts. Der Bariton agiert in einer Art Sprechgesang, zumeist recht minimalistisch begleitet durch ein karges Orchester aus Akkordeon, Sopransaxofon, Altsaxofon, drei Violoncelli, Synthesizer und Schlagzeug. Die Instrumente untermalen den Sprechgesang, begleiten ihn, heben einzelne Wörter und Silben heraus. Bisweilen kommentieren andere Stimmen das Geschehen, vermutlich aus dem Orchester. Rhythmische Attacken leiten die gotteskritischen Tiraden ein und unterstützen sie; lachende Saxofontöne unterstützen das Gelächter des schmachvoll vom Himmel exilierten Luzifers. Assaf Levitin als Sprecher und Sänger entgeht der Versuchung zur bösen Eindimensionalität; er zeichnet Dichtung und Komposition sensibel, aber auch mit der nötigen Härte nach dort, wo dies angezeigt ist. Ein geringer Nachteil besteht darin, dass er bisweilen unterhalb seiner Normalstimme spricht und die Sprechtöne dann etwas gequetscht werden.
Antigone ist eine Chorkomposition und verwendet kurze griechische Zitate aus dem Drama von Sophokles. Tiefe Töne des Chorbasses werden hohen, langen Tönen des Soprans entgegengesetzt. Schlagzeugtupfen und -schläge sowie Klänge von zwei Klavieren halten die beiden Ebenen des Stücks auf sinnenfällige Weise zusammen. Der KammerChor Saarbrücken wird untadelig von Georg Grün geführt; die Sopranistin Monika Meier-Schmids fügt sich nahtlos und wohlklingend ein. Die Atmosphäre des ganzen Stücks wirkt eher düster und nachdenklich; zweifellos wird damit der Wille des Komponisten erfüllt.
Das Orgelstück Norge Bergromanzen mit Hirtenrufen wird vom Komponisten selbst eingespielt. Hier handelt es sich um eine Landschaftsbeschreibung mit Hilfe der Orgel, farbenreich, virtuos und spannend komponiert und gespielt. Das letzte Stück der CD ist das älteste: Bereits 1977 komponierte Brandmüller die Klage Ach, trauriger Mond für Schlagzeug-Solo und Streicher, angeregt durch Verse Federico García Lorcas. Sie schildert das Untergehen, um nach Brandmüllers Worten die Klage um den großen Poeten in Hoffnung umzumünzen. Ein dichtes Streichergewebe wird oft qualvoll übertönt von herben Schlagzeugeinwürfen; vielfach ergänzen sich beide zu vibrierenden, lichtvollen Klängen.
Die solcherart angebahnte Bekanntschaft mit Brandmüller lohnt sich. Anzumerken bleibt nur noch, dass es nicht geschadet hätte, wenn der CD der Text von Johannes Kühn beigegeben worden wäre.
Diederich Lüken