Liebesfreud & Liebesleid

Encores for the cello

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Edition Günter Hänssler PH11071
erschienen in: das Orchester 07-08/2012 , Seite 79

Ein sehr persönliches Album ist es, das Michael Hell mit Liebesfreud & Liebesleid vorlegt: Er hat es „der Musik, der täglichen Beschäftigung mit dem Cello“ und den Beziehungen in seinem Leben gewidmet. Inhaltlich besteht die CD aus Hells liebsten Zugabenstücken, seine Begleiterin ist die Pianistin Micaela Gelius.
Die meisten der insgesamt 21 Stücke könnte man von ihrer Stimmung her eher als ruhig und getragen beschreiben; virtuos und rasant sind dagegen nur wenige von ihnen. Viele Werke hat der gebürtige Österreicher jeweils einer bestimmten ihm wichtigen Person aus der Familie, dem Bekannten- bzw. Kollegenkreis zugeordnet. Die Zigeunerweisen op. 20 von Pablo de Sarasate befinden sich darunter, das Rondo in g-Moll op. 94 von Antonín Dvor?ák, mehrere Stücke von Gabriel Fauré (Après un rêve, die
Romance in A-Dur op. 69 oder die Romance sans paroles op. 17 Nr. 3), für Cello arrangierte Lieder von Johannes Brahms (Liebestreu op. 59 Nr. 2, Wie Melodien op. 105 Nr. 1, Feldeinsamkeit op. 86 Nr. 2) und – man möchte fast sagen: natürlich – Der Schwan aus dem Karneval der Tiere von Camille Saint-Säens.
Hells Spiel auf dem Januarius-Gagliano-Cello von 1736 klingt alles andere als kitschig – und das, obwohl es sich bei der CD um ein für ihn so persönliches Projekt handelt. Besagter Schwan ist hierfür ein gutes Beispiel: Viele Cellisten haben ihn schon durch übertriebene Sentimentalität verhunzt; bei Hell klingt er schlicht und elegant. Das Air aus der Suite in D-Dur ebenso wie das Arioso aus der Kantate Nr. 156 von Johann Sebastian Bach interpretiert er eher romantisch, bei Fritz Kreislers Liebesfreud aus den Alt-Wiener Tanzweisen, dem einen der beiden Mottostücke der CD, wird es schwungvoll. Beim anderen, dem Liebesleid, lässt er sein Instrument singen und genießt. Leidenschaftlich und dabei technisch einwandfrei musiziert Hell die anspruchsvollen Zigeunerweisen von de Sarasate.
Vielleicht könnte noch ein wenig mehr von solcher Leidenschaft, überhaupt etwas mehr Abwechslung, dem Album nicht schaden. Denn ohne ihm Oberflächlichkeit attestieren zu wollen: Es könnte die perfekte Hintergrundmusik zu einem Candle-Light-Dinner darstellen (aber das geht einzig auf das Konto seiner von der Stimmung der Stücke her vielleicht etwas zu einseitigen Zusammenstellung).
Am Zusammenspiel mit Micaela Gelius, an deren Leistung überhaupt, gibt es übrigens nichts auszusetzen. Es ist deutlich zu hören, dass sie und Hell bereits seit Jahren zusammen musizieren – etwa im 1999 gegründeten Gelius Trio mit Sreten Krstic –, und somit perfekt aufeinander eingespielt sind. Die Vokalise op. 34 Nr. 14 von Sergej Rachmaninow, die ja in ganz besonderem Maße vom Zwiegespräch zwischen Cello und Klavier lebt, ist hierfür nur ein Beispiel.
Julia Hartel