de la Motte-Haber, Helga / Heinz von Loesch / Günther Rötter / Christian Utz (Hg.)
Lexikon der Systematischen Musikwissenschaft
Musikästhetik Musiktheorie Musikpsychologie Musiksoziologie
Erstmals in der Geschichte der Systematischen Musikwissenschaft erscheint ein Lexikon, welches das gesamte Gebiet der Musikästhetik, -theorie, -pychologie und -soziologie in einem einzigen Band sinnvoll und übersichtlich zusammenfasst. Das Werk ergänzt das sechsbändige Handbuch der Systematischen Musikwissenschaft und ist das seit vielen Jahren erwartete Pendant zum 13-bändigen Neuen Handbuch der Musikwissenschaft, das einst Carl Dahlhaus herausgab.
Das Lexikon ist selbstverständlich ein Nachschlagewerk, will aber nach Auskunft der Herausgeber auch ein Lesebuch sein, das seinem staunenden Leser die Breite des Gebiets zeigt. Aus dem ersten Übersichtscharakter kann es allerdings ebenso wie andere Lexika nicht hinausgehen: So bieten viele recht komplexe Artikel wie Ausdruck mit knapp fünf Spalten zusammenfassende und Lust auf mehr machende Vorinformationen und beanspruchen keineswegs in ihrer dichten, aber allgemein gehaltenen Informationsfülle erschöpfend zu sein. Ein Griff zum Handbuch der Musikpsychologie oder zur Musikästhetik (bei Schön oder Hässlich) ist beispielsweise hier genauso vonnöten wie bei den ebenfalls nur fünf Spalten umfassenden Artikeln Begabung, Motivation oder dem längeren Artikel Lernen/Üben. Das gleiche gilt für die zum Teil eher allgemein gehaltenen Artikel der Musiksoziologie wie Sozialisation, Medien oder Musikalische Jugendkulturen.
Auch neue, von vielen kaum wahrgenommene Termini wie Intertextualität, Migration, aber auch Musik im Internet wurden aufgenommen und werden hinreichend erläutert, sogar die New Musicology eine kritische Forschungsrichtung aus dem englischsprachigen Bereich , die sich auch schon mit frauenfeindlichen Zügen der Musik Beethovens auseinandergesetzt hat.
Dagegen haben es die zahlreichen Begriffe und Fachtermini aus den Bereichen Akustik (Gehör, Obertöne) und Musiktheorie wie Intervall, Obertöne oder Tristanakkord mit ihren historischen Ablegern vom Mittelalter (Color, Monochord, Musica mundana) über Barock (Generalbass) bis in die Neuzeit (Serielle Musik, Mikrotonalität) leichter, da sie über die nötigen Definitionen hinaus prägnant erläutert werden. Zwar sollen weiterführende Literaturangaben die Artikellänge ausgleichen, manchmal fehlt aber doch die eine oder andere Angabe: so beim Begriffspaar Apollinisch/Dionysisch die umfassende Schrift von Martin Vogel, Regensburg 1966. Bei der Schallgeschwindigkeit, auf welche man im Artikel Akustik stößt jedoch nicht über das Stichwort, selbst im Register , hätte man der Vollständigkeit halber noch den dafür nicht unerheblichen Luftdruck von 1013 hPa notieren können. Außerdem findet sich kein Platz für ein anschauliches Notenbeispiel der Obertöne im gleichnamigen Artikel oder in den Querverweisen wie Klang oder Akustik. Um nicht ausgewiesene Stichworte leichter finden zu können, schließt das beeindruckende Lexikon mit einem umfassenden Personen- und Sachregister.
Werner Bodendorff