de la Motte-Haber, Helga / Heinz von Loesch / Günther Rötter / Christian Utz (Hg.)

Lexikon der Systematischen Musikwissenschaft

Musikästhetik – Musiktheorie – Musikpsychologie – Musiksoziologie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber, Laaber 2010
erschienen in: das Orchester 05/2011 , Seite 67

Erstmals in der Geschichte der Systematischen Musikwissenschaft erscheint ein Lexikon, welches das gesamte Gebiet der Musikästhetik, -theorie, -pychologie und -soziologie in einem einzigen Band sinnvoll und übersichtlich zusammenfasst. Das Werk ergänzt das sechsbändige Handbuch der Systematischen Musikwissenschaft und ist das seit vielen Jahren erwartete Pendant zum 13-bändigen Neuen Handbuch der Musikwissenschaft, das einst Carl Dahlhaus herausgab.
Das Lexikon ist selbstverständlich „ein Nachschlagewerk“, will aber nach Auskunft der Herausgeber auch ein Lesebuch sein, das „seinem staunenden Leser die Breite des Gebiets zeigt“. Aus dem ersten Übersichtscharakter kann es allerdings ebenso wie andere Lexika nicht hinausgehen: So bieten viele recht komplexe Artikel wie „Ausdruck“ mit knapp fünf Spalten zusammenfassende und Lust auf mehr machende Vorinformationen und beanspruchen keineswegs in ihrer dichten, aber allgemein gehaltenen Informationsfülle erschöpfend zu sein. Ein Griff zum Handbuch der Musikpsychologie oder zur Musikästhetik (bei „Schön“ oder „Hässlich“) ist beispielsweise hier genauso vonnöten wie bei den ebenfalls nur fünf Spalten umfassenden Artikeln „Begabung“, „Motivation“ oder dem längeren Artikel „Lernen/Üben“. Das gleiche gilt für die zum Teil eher allgemein gehaltenen Artikel der Musiksoziologie wie „Sozialisation“, „Medien“ oder „Musikalische Jugendkulturen“.
Auch neue, von vielen kaum wahrgenommene Termini wie „Intertextualität“, „Migration“, aber auch „Musik im Internet“ wurden aufgenommen und werden hinreichend erläutert, sogar die „New Musicology“ – eine kritische Forschungsrichtung aus dem englischsprachigen Bereich –, die sich auch schon mit „frauenfeindlichen Zügen der Musik Beethovens“ auseinandergesetzt hat.
Dagegen haben es die zahlreichen Begriffe und Fachtermini aus den Bereichen Akustik („Gehör“, „Obertöne“) und Musiktheorie wie „Intervall“, „Obertöne“ oder „Tristanakkord“ mit ihren historischen Ablegern vom Mittelalter („Color“, „Monochord“, „Musica mundana“) über Barock („Generalbass“) bis in die Neuzeit („Serielle Musik“, „Mikrotonalität“) leichter, da sie über die nötigen Definitionen hinaus prägnant erläutert werden. Zwar sollen „weiterführende Literaturangaben“ die Artikellänge ausgleichen, manchmal fehlt aber doch die eine oder andere Angabe: so beim Begriffspaar „Apollinisch/Dionysisch“ die umfassende Schrift von Martin Vogel, Regensburg 1966. Bei der Schallgeschwindigkeit, auf welche man im Artikel „Akustik“ stößt – jedoch nicht über das Stichwort, selbst im Register –, hätte man der Vollständigkeit halber noch den dafür nicht unerheblichen Luftdruck von 1013 hPa notieren können. Außerdem findet sich kein Platz für ein anschauliches Notenbeispiel der „Obertöne“ im gleichnamigen Artikel oder in den Querverweisen wie „Klang“ oder „Akustik“. Um nicht ausgewiesene Stichworte leichter finden zu können, schließt das beeindruckende Lexikon mit einem umfassenden Personen- und Sachregister.
Werner Bodendorff