Koechlin, Charles

Les Bandar-log op. 176/Offrande musicale sur le nom de BACH op. 187

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler Classic CD 93.221
erschienen in: das Orchester 02/2010 , Seite 73

Es dürfte im Augenblick keinen Dirigenten geben, der besser mit dem musikalischen Kosmos von Charles Koechlin vertraut ist als Heinz Holliger, aber auch kein Orchester, das die Musik des im Elsass geborenen Komponisten häufiger aufgeführt und eingespielt hat als das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR. Dass bei der äußerst verdienstvollen Aufnahmereihe bei Hänssler Classic eine Reihe von Ersteinspielungen vertreten sind wie “Le Docteur Fabricius” oder die Orchesterversion der “Heures persanes”, wundert indes nicht; abgesehen vom “Dschungelbuch” Koechlins, das sich inzwischen einer gewissenen Bekanntheit erfreut, ist das Gesamtwerk des Komponisten doch kaum bekannt.
Ein weiterer Höhepunkt der intensiven Beschäftigung des Schweizer Oboisten, Dirigenten und Komponisten und des Stuttgarter Orchesters war die Aufführung von “Offrande musicale sur le nom de BACH” op. 187 beim Europäischen Musikfest Stuttgart 2008 (siehe auch das Orchester 11/08). Aus dem umfangreichen Œuvre Kochlins, der 1867 in Paris zur Welt kam, seine Kindheit und Jugend in Mulhouse im Elsass verbrachte und 1950 in Le Canadel starb, ragt das das rund 48-minütige Orchesterwerk durch seine nicht nur aufführungsbedingten hohen Anforderungen heraus.
Einmal mehr zeigt sich der Komponist, zu dessen Lebzeiten “Offrande musicale sur le nom de BACH” nie erklungen ist – die Uraufführung erfolgte erst 23 Jahre nach seinem Tod –, als Klangmagier. Nicht umsonst gilt seine Instrumentationslehre neben der von Rimskij-Korsakow und Berlioz/ Strauss als maßstabsetzend. Dem Mitschnitt der Bach-Hommage ist das satirisch unterfütterte “Les Bandar-log” op. 176 aus dem Dschungelbuch beigegeben. Trotz der strengen Polyfonie, die in den zwölf Abschnitten der Komposition über B-A-C-H beherrschend ist, findet Koechlin trotz gelegentlicher lehrhafter Anflüge immer wieder zu bezwingenden Klangfarbenkompositionen, die sich zudem in der Interpretation von Holliger und dem SWR-Orchester durch höchste Transparenz auszeichnen.
In dem aufnahmetechnisch gut gelungenen Mitschnitt aus der Stuttgarter Liederhalle kann das Radio-Sinfonieorchester mit seinen hervorragend besetzten ersten Bläserpulten ebenso prunken wie mit den durchhörbaren Streichern, die in den scheinbar regelwidrig instrumentierten Passagen des großformatigen Orchesterwerks unter der Leitung von Holliger zu immer neuen, überraschenden Farbspielen finden. Dass Koechlin für die Bach-Hommage auch die elektronischen Klänge der Ondes Martenot benutzte, die Olivier Messiaen in seiner monumentalen Turangalila-Sinfonie prominent einsetzte, zeigt, dass Koechlin trotz seines Rückgriffs auf strenge polyfone Formen zugleich auch der Zukunft zugewandt war.
Walter Schneckenburger