Les Ballets Russes, Vol. 8

Nikolai Rimsky-Korsakov: Scheherazade / Serge Prokofiev: Scythian Suite

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler Classics CD 93.289
erschienen in: das Orchester 02/2013 , Seite 67

Die achte Folge der den „Ballets Russes“ gewidmeten CD-Edition bei Hänssler Classics präsentiert mit dem von der Fusion bedrohten SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg zwei gegensätzliche Kompositionen – gegensätzlich nicht nur in ihrer Tonsprache, sondern auch bei ihren Erfolgen beim Publikum: Rimsky-Korsakows orientalische Suite Scheherazade, inzwischen ein Konzert-Klassiker, wurde von dem Impresario und Ideengeber Sergej Diaghilew 1910 als Ballettmusik entdeckt und in der Choreografie von Michail Fokin ein anhaltender Publikumserfolg für die „Ballets Russes“. Sergej Prokofjews hörbar an Strawinskys Sacre angelehnte Skytische Suite wurde von dem großen Impresario zuerst für sein Ballett bestellt, dann von ihm nach einer Klavierprobe abgelehnt!
Diaghilew war es mit der Gründung der „Ballets Russes“, bestehend aus den besten Tänzern der St. Petersburger und Moskauer Hofballette, gelungen, ab 1909 die westeuropäische Ballettszene zu revolutionieren und zugleich Musikgeschichte zu schreiben, wie etwa mit der skandalumwitterten Uraufführung von Igor Strawinskys Sacre du Printemps, die in einer Einspielung von Sylvain Cambreling und dem SWR-Orchester auf der ersten Folge von „Ballets Russes“ zu finden ist. Verdienstvoll ist es, dass im Rahmen dieser Edition auch auf wichtige, aber weniger beachtete Kompositionen aufmerksam gemacht wird wie Aurics Les Facheux (Folge 7) oder Florent Schmitts La Tragédie de Salomé (Folge 3); auch Prokofjews „Skytische Suite“ Ala i Lollij op. 20 auf der jüngsten Folge gehört dazu. Für die Musikgeschichte und vor allem für das Repertoire der „Ballets Russes“ von zentraler Bedeutung waren Strawinskys Sacre, Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune oder Ravels Daphnis et Chloé.
Bei Scheherazade, die von Alejo Pérez mit viel Liebe zum Detail ausgebreitet wird, kann der Dirigent sich nicht nur auf das SWR Sinfonieorches­ter verlassen, sondern auch auf den Geiger Jermolaj Albiker, der hier die musikalische Stimme der Erzählerin mit verführerischen Tönen gibt. Bei aller Qualität des Orchesterspiels kann man aber kaum von einer Spitzenaufnahme sprechen: Weder die Streicher noch die Blechbläser – das Holz hingegen braucht keine Konkurrenz zu scheuen – können mit den Spitzenaufnahmen ganz mithalten. Die umfangreiche Diskografie bietet zu viele exzeptionelle Aufnahmen, angefangen mit Fritz Reiners bei RCA klangtechnisch hervorragend überarbeiteter Einspielung mit dem fulminanten Chicago Symphony Orchestra: noch immer Referenz. Aber auch die rauere Sicht von Valery Gergiev und seines Kirow-Orchesters (Philipps), bei dem mehr das erzählerische Moment betont wird, kann Pérez nicht ganz erreichen.
Solche Einwände gibt es bei Prokofjews Skytischer Suite nicht, die ebenfalls wie Strawinskys Sacre „Szenen aus dem heidnischen Russland“ bietet. Dem Dirigenten Kirill Karabits gelingt es hier, unterstützt von der guten Aufnahmetechnik, die wilden Ausbrüche der Partitur undomestiziert, aber partiturgetreu umzusetzen. Ebenso hat er mit dem SWR-Orchester ein Händchen für die lyrischen Momente der Komposition. Hörenswert.
Walter Schneckenburger