Schwaen, Kurt
Leonce und Lena
Kurt Schwaen, 1909 geboren und 2007 gestorben, war ein fruchtbarer Komponist, der seine wesentlichen Haltungen seinen Begegnungen mit Hanns Eisler und der Arbeiter-Musik-Szene verdankte und der zuvor auch eine umfassende Ausbildung als Organist und Musikwissenschaftler genossen hatte. Wegen seiner Gegnerschaft zu den Nazis wurde er zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
Zu DDR-Zeiten wirkte er in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Schlüsselpositionen am Aufbau des Musiklebens mit. So erhielt er den Auftrag, die Volksmusikschulen einzurichten, und er wirkte als Musikreferent der Deutschen Volksbühne. Von 1953 bis 1962 war er Sekretär des Verbands Deutscher Komponisten. Den DDR-Nationalpreis erhielt er gleich zwei Mal, 1959 und 1977, 1984 den Karl-Marx-Orden des Staats und 1983 die Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig. Wolfgang Hanke resümiert im Lexikon Komponisten der Gegenwart: Schwaens knappe, fast spröde Formulierungen, die Lyrismen nur wenig Raum zumessen, fanden bei einem breiten Publikum nur wenig Akzeptanz, obwohl Schwaen gerade in seinen Werken für das Musiktheater stets bemüht war, dem Hörer entgegenzukommen. [
] Den nachhaltigsten Widerhall fand Schwaens erstes Werk für professionelles Musiktheater, die lyrische Kammeroper Leonce und Lena nach Georg Büchners gleichnamigem Lustspiel.
Leonce und Lena ist eine Literaturoper, wie sie im Buche steht. Die Anlage der Kammeroper ist melodramatisch, die Gesangspartien wirken oft deklamatorisch. Die Musik klingt nach der Neoklassik der 1920er Jahre, aber auch knapp formuliert, zuweilen auch wie eine Frühform der Minimal Music. Dazu passt wohl Schwaens Bonmot, das die Startseite seiner Homepage zitiert: Was du nicht mit drei Tönen sagst, das sagst du auch nicht mit hundert.
Das Werk für Kammerensemble und eine große Anzahl von Solisten ist gar nicht so kühn modern, wie man vermuten könnte. Das umfangreiche Solistenensemble dirigiert Rudolf Neuhaus. Es ist das Verdienst des Labels Hastedt, einen alten Mitschnitt wiederaufzulegen. Als 38. Teil der Reihe Zeitgenossen, Musik der Zeit erschienen, steht im Booklet: Diese Reihe stellt vorwiegend Musik des 20. Jahrhunderts vor, die auch im beginnenden 21. Jahrhundert ihren Rang haben wird. Einen Schwerpunkt bilden charakteristische Werke bedeutender Komponisten und beispielhafte Aufführungen herausragender Künstler aus der DDR. Mit Leonce und Lena liegt eine CD vor, die man Programmmachern, die sich für Stücke jenseits des Mainstreams interessieren, empfehlen sollte.
Gernot Wojnarowicz


