“Leise Töne der Brust”
Chormusik der Romantik in Aufnahmen von 1990 bis 2004
In der Tat: Es sind die leisen Töne, die diese CD beherrschen, auch wenn mancher Hörer gerade bei romantischer Chormusik vielleicht anderes erwartet (oder befürchtet?). Mit einem bezwingenden Pianissimo in den Brahms-Gesängen Opus 104 startet der Chor des Bayerischen Rundfunks seinen neuesten Tonträger: Es ist quasi eine klingende Visitenkarte des renommierten Ensembles, denn Aufnahmen aus fünfzehn Jahren wurden für diese CD gebündelt. Die Brahms-Chöre sind dabei die neuesten Einspielungen, zudem unter der Leitung von Peter Dijkstra, der 2005 dem langjährigen Chefdirigenten Michael Gläser als künstlerischer Leiter nachfolgte. Und die beiden Nachtwachen demonstrieren sogleich die Qualitäten des Rundfunkchors aus München: seine Klarheit und Durchsichtigkeit im Klang, seine absolute Tonsicherheit verbunden mit einer deutlichen und artikulierten Aussprache. Die Schlankheit in der Tongebung in den Chorsätzen von Brahms und Schumann, Mendelssohn Bartholdy und Schubert wirkt da schon überraschend, beweist aber, dass es für romantische Chormusik keines aufgebauschten, dröhnenden Sounds bedarf: Die Reduktion und der bewusst eingesetzte Gebrauch von Ausdrucksmitteln bedeuten keinen Verzicht auf Wirkung.
Dass der junge niederländische Dirigent Peter Dijkstra in diesem Punkt die Tradition von Michael Gläser überzeugend fortsetzt, zeigt sich in den weiteren Einspielungen der CD, denn die Charakteristika begleiten die mit dem früheren Leiter produzierten Aufnahmen von den frühen Reger-Sätzen bis zu den jüngeren Brahms-Einspielungen. Natürlich lässt der Chor nichts an Klangrundung zu wünschen übrig und er vermag beispielsweise die Jagdlieder durchaus mit frischem und spritzigem Impetus anzugehen. Und welch dynamisches Spektrum, welche Intensität im Ensemble steckt, belegen Mendelssohns Morgengebet, der ergreifende Darthulas Grabesgesang von Brahms oder der Brucknersche Männerchor Trösterin Musik. Dass die Aufnahmen des Gesamtchores durch Frauen- und Männerchöre ergänzt werden, macht die CD noch hörenswerter. Auch ist in den Schumann-Romanzen für Frauenstimmen der langjährige Gastdirigent Rupert Huber als Leiter des BR-Chors vertreten.
Die Auswahl der Einspielungen ist durchweg gelungen; kurze, fast aphoristische Sätze wechseln mit erzählenden Chören ab, Schlicht-Volksliedhaftes mit kunstvollen gesetzten Kompositionen. Schade nur, dass sich auf der CD des Münchner Chors kein Werk von Richard Strauss findet das hätte nahe gelegen und ihn hätte man eher erwartet als Fritz Stein oder Franz Biebl.
Wolfgang Birtel