Schulhoff, Erwin
Landschaften / Menschheit / Der Bürger als Edelmann
Vor zwanzig Jahren kannten wohl nur Experten seinen Namen, heute ist wenigstens einiges aus dem kompositorischen uvre von Erwin Schulhoff (1894-1942) aus dem Repertoire (zumindest aus den CD-Katalogen) nicht mehr wegzudenken. Verbreitung gefunden haben dabei vor allem Werke etablierter Gattungen also vor allem die Streichquartette und solche Kompositionen, die durch einen dadaistisch schrägen, teilweise mit Jazz-Rhythmen auftrumpfenden oder auch nur plakativ-griffigen Tonfall auffallen, wie etwa Bassnachtigall für Solo-Kontrafagott. So sehr aber Schulhoffs Kompositionen der 20er Jahre im Mittelpunkt des Interesses standen (und noch immer stehen), so unbekannt blieben bisher seine musikalischen Wurzeln, aber auch die späteren Werke, mit denen er eine radikale linke Position zu verklanglichen suchte.
Umso bemerkenswerter ist nun die Veröffentlichung von zwei der wohl gewichtigsten Frühwerke: den beiden Vokal-Sinfonien Landschaften op. 26 WW 44 (1918/19) und Menschheit op. 28 WW 48 (1919). Die eine ist dem im Krieg gefallenen Kölner Studienfreund Ernst Kunsemüller gewidmet, die andere Karl Liebknecht, womit Schulhoff politisch Position bezieht. Die jetzt vorliegende hochkarätige Aufnahme dieser Partituren bestätigt den Eindruck, den ich von der Uraufführung der Kompositionen am 26. November 1999 (!) im Sendesaal Masurenallee des SFB behalten habe: hochromantische, mehr oder weniger deutlich an Mahler, Strauss und Zemlinsky gemahnende, hochtemperierte Ausdruckswelten (nicht zufällig vergleichbar den ebenfalls erst postum uraufgeführten Orchestergesängen op. 9 von Paul Hindemith), die bisweilen auf den bei Schulhoff doch so charakteristischen melancholischen Tonfall vorausweisen, den man jedoch nur zu gerne überhört.
Mehr als die Qualität der den Werken zugrunde liegenden dichterischen Vorlagen überzeugt Doris Soffel, auch wenn ihre einfühlsame, bisweilen herrlich fahl abgedunkelte Stimme zu präsent abgebildet wurde. Gerd Albrecht führt das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ohne falschen Klangrausch durch die großformatigen Partituren. Auch die Interpretation der 1926 entstandenen Edelmann-Suite WW 79 mit Michael Rische am Klavier, sieben Bläsern und Schlagwerk überzeugt durch ihre nüchterne Spritzigkeit sie bleibt allerdings auf dieser CD stilistisch ein Fremdkörper.
Michael Kube