Mascagni, Pietro

L’amico Fritz

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Deutsche Grammophon 4778358, 2 CDs
erschienen in: das Orchester 06/2010 , Seite 70

Auf seinen Opernerstling Cavalleria Rusticana, der ein auch für den Komponisten überraschender (und letztlich die weitere Entwicklung behindernder) Welterfolg wurde, ließ Pietro Mascagni L’amico Fritz folgen. 1891 in Rom uraufgeführt, konnte das Werk zwar einen Achtungserfolg erringen, im Repertoire letztlich etablieren konnte es sich aber nur im Heimatland des Komponisten. Mit L’amico Fritz wollte Mascagni einen deut­lichen Kontrapunkt zu seinem Erfolgserstling setzen. Schon das Libretto, das von fünf Autoren, darunter auch Mascagni, unter dem Pseudonym P. Suardon verfasst wurde, hat kaum etwas mit dem Verismus der Caval­leria gemein. Freund Fritz spielt im Elsass, damals noch zum Deutschen Reich gehörend. Der Hagestolz Fritz Kobus, ein sozial engagierter Gutsherr, feiert mit Freunden seinen 40. Geburtstag. Dabei verleitet ihn sein Freund, der ehestiftende Rabbiner David, zu einer Wette um einen Weinberg, dass Fritz sein Junggesellenleben bald aufgeben würde. Die Versuchung für den wohlhabenden Fritz naht in Person der freundlich-scheuen Pächterstochter Suzel. Vorhersehbar werden die beiden nach harmlosen Irrungen und Wirrungen ein Paar. David schenkt den von Fritz gewonnenen Weinberg zum guten Ende noch der Braut…
Musikalisch dominieren in der vom alten Verdi höchst unfreundlich aufgenommenen Komposition die pastoralen und idyllischen Züge, die an Bellinis La sonnambula oder Donizettis L’elisir d’amore erinnern. Mascagni zeigt sich bei L’amico Fritz als äußerst differenzierter Komponist, der sich denkbar weit vom etwas plakativen Stil seiner Cavalleria Rusticana entfernt. Alberto Veronesi am Pult des sehr differenziert und ausgewogen agierenden Orchesters der Deutschen Oper Berlin nutzt bei diesem Mitschnitt einer konzertanten Aufführung alle Möglichkeiten der raffinierten Partitur. Das klingt nie sentimental, dafür über weite Stellen elegant, italienisches mit französischem Flair verbindend. Die ausgewogene Orchesterqualität mit weichen Streichern und markanten Bläsern gibt Veronesi dafür beste Voraussetzungen.
Als problematisch erweist sich die Besetzung der Titelpartie mit dem Tenor Roberto Alagna. Die Vertrautheit mit der Rolle ist ihm anzumerken, auch das Bemühen, die ehrlichen Gefühle des Gutsbesitzer gegenüber Suzel nicht in plakativen Gesten enden zu lassen, aber allzu oft wird dieses Bemühen durch den hörbaren Verschleiß der Stimme konterkariert, besonders in der eng und oft unter Druck produzierten Höhe. Welch ein Kontrast zu Luciano Pavarotti, der gemeinsam mit Mirella Freni unter der Leitung von Gianandrea Gavazzeni bei EMI auf der einzigen modernen Studioaufnahme von L’amico Fritz die Partie unvergleichlich verkörpert. Ohne Schwächen präsentiert sich dagegen Angela Gheorghiu, der es mit ihrem variablen Sopran gelingt, die Figur des scheinbar naiven Landmädchens und seine ehrlichen Gefühle nicht zu denunzieren. Überzeugend George Petean als David ebenso wie Laura Polverelli in der Hosenrolle des Beppe, sehr solide die weiteren Comprimari und der Chor der Deutschen Oper Berlin.
Walter Schneckenburger