Schneider, Klaus
Länder und Völker in der Programmusik
Ein bibliographisches Lexikon
Der neuen Publikation von Klaus Schneider durfte man erwartungsvoll entgegensehen, hat er sich doch mit seinen bisher bei Bärenreiter erschienenen drei materialreichen Verzeichnissen zur Programmmusik auf diesem Gebiet längst einen Namen gemacht. Die ersten beiden Bände enthalten nach Stoffen, Motiven, Figuren und Personen gegliederte Werklisten, und im anschließenden Lexikon Musik über Musik beschäftigte sich Schneider mit Variationszyklen, Transkriptionen, Hommagen oder Kompositionen zum B-A-C-H-Thema. Dass auch Landschaften, Regionen, Berge, Länder, Städte, Bauwerke, Seen oder Flüsse besonders im 19. und 20. Jahrhundert als Ideengeber für Komponisten dienten, ist zwar hinlänglich bekannt: So verarbeitete Felix Mendelssohn Bartholdy seine Reiseeindrücke etwa in einer Schottischen und einer Italienischen Sinfonie, Franz Liszt geleitet uns in seinen Années de pellerinage auf eine mitunter spirituelle Reise durch Mitteleuropa, Bedrich Smetana setzte seiner Heimat mit dem grandiosen Zyklus Mein Vaterland ein tönendes Denkmal und Ottorino Respighi schuf mit drei sinfonischen Dichtungen eine klangvolle Hommage an Rom.
Dass es aber auf der Erde wirklich kaum eine Örtlichkeit gibt, die ohne musikalischen Widerhall geblieben ist (ob Färöer- oder Tonga-Inseln, Transsilvanien oder Grand Canyon, Ganges oder Ohio, Nanga Parbat oder Fujiyama), das wird hier akribisch belegt. Hinzu kommen die zeitlich früher entstandenen und wesentlich unspektakuläreren Beispiele mit regionaltypischen Anklängen, bei denen es sich dann meist um Tanzmusik (beispielsweise Polonaisen) oder Paraphrasierungen volkstümlicher Lieder handelt (etwa in Zusammenhang mit Schottland das Auld lang syne).
Doch damit gibt sich Schneider längst nicht zufrieden: Er weist außerdem recht äußerliche Verbindungen nach, wie etwa das Dresdener bzw. Darmstädter Konzert von Johann Friedrich Fasch, wobei die Manuskriptfundorte titelgebend sind, oder unter dem Stichwort Europa das als Eurovisions-Fanfare aus dem Fernsehen bestens bekannte Prélude aus Marc-Antoine Charpentiers Te Deum; im Abschnitt Schwarzafrikaner findet sich eine Sonata mulattica, die Ludwig van Beethoven einem Violinvirtuosen entsprechender Herkunft zueignen wollte, die aber heute nach dem späteren Widmungsträger als Kreutzer-Sonate op. 47 bekannt ist.
Der Stoff ist also unermesslich, und deshalb wäre ein grundlegender Essay zu dem Thema noch ganz hilfreich gewesen aber das kann mithilfe der ungeheuren Materialsammlung nun ein anderer nachholen. Die bewährte Aufmachung des Lexikons ist auch nach dem Verlagswechsel gleich geblieben: systematisch gegliederter Inhalt (hier nach Erdteilen, Ländern, Seen, Flüssen und Städten), vielfach knappe Erläuterungen zu den einzelnen Stücken, bibliografische Angaben. Leider verzichtete man weiterhin auf Illustrationen, was sich bei diesem Thema wegen der künstlerisch oftmals anspruchsvollen Titelseiten alter Ausgaben und ihren touristischen Motiven sehr gelohnt hätte.
Georg Günther


