Mozart, Wolfgang Amadeus
La finta giardiniera
Live from the Zürich Opera House 2006, 1 Blu-ray Disc
Sie ist Mozarts erste gewichtige Opera buffa, die 1775 komponierte La finta giardiniera, die in ihrer lange fast ausschließlich bekannten deutschen Fassung Die Gärtnerin aus Liebe hieß. Erst im späten 20. Jahrhundert wurde die vollständige italienische Version aufgefunden, sodass es noch gar nicht so lange her ist, dass die Oper in ihrer eigentlichen Gestalt wieder gespielt werden kann. Seither allerdings gewinnt sie im Mozart-Repertoire den ihr gebührenden Platz, denn es ist ein gewichtiges und bedeutendes Werk. Es ist ein Dramma giocoso ganz wie der Don Giovanni. Das heißt, es gibt ein ernstes Paar (Arminda und Ramiro, die Seria-Arien singen), ein komisches (Serpetta und Nardo) sowie eines von gemischtem Charakter, das ernste und heitere Nummern hat (Sandrina und der Graf). Dazu kommt der Podesta als komischer Alter.
Die vorliegende Blu-ray-Disc dokumentiert eine der wesentlichen Produktionen der Oper in jüngster Zeit, die im Mozart-Jahr 2006 an der Züricher Oper aufgenommen wurde. Am Pult steht Nikolaus Harnoncourt, der just in Zürich vor über 30 Jahren mit seinen epochalen Einstudierungen von Mozarts Opern begonnen hatte. Er leitet das Originalklangensemble La Scintilla, das aus Mitgliedern des Züricher Opernorchesters besteht und den dortigen Aufführungen von Opern des Barocks und der Klassik den adäquaten klanglichen und stilistischen Rahmen gibt. Harnoncourt dirigiert auch hier einen dramatisch akzentuierten und bis ins kleinste Detail höchst pointierten Mozart, der die angesprochenen sehr unterschiedlichen Charaktere und Affekte der Musik wirkungsvoll auf den Punkt bringt. Den Hang zu einer nicht unproblematischen Verbreiterung der Zeitmaße, wie bei Harnoncourts Salzburger Mozart-Aufführungen mit den Wiener Philharmonikern, gibt es hier erfreulicherweise nicht.
Zu sehen ist eine Inszenierung des vor allem als Schauspieler (Kommissar Rex) bekannten Tobias Moretti. Im Unterschied zu Doris Dörries Salzburger Inszenierung von 2006, die aus dem Stück einen krassen Spaß im Baumarkt machte, nimmt Moretti die Geschichte der Adeligen, die sich als Gärtnerin verdingt und mit ansehen muss, wie ihr Geliebter, der sie von seiner eigenen Hand getötet glaubt, eine andere heiraten will, sehr ernst. Er verlegt den Stoff in die Gegenwart und findet allerhand originelle und ausdrucksvolle Einstellungen, um die Hinter- und Abgründe der Oper zu erhellen. Die komischen Facetten wirken denn auch hier eher sarkastisch und ironisch gebrochen als unbeschwert lustig.
Aus der vorzüglichen Besetzung ragt Eva Mei als überaus empfindungs tiefe Sandrina heraus. Christoph Strehl überzeugt als Graf durch den Wohllaut seines Tenors. Isabel Rey und Liliana Nikiteanu vermitteln dem Seria-Paar das notwendige Gewicht. Besonders kess im Spiel und sängerisch schillernd gibt Julia Kleiter der Serpetta zwingendes Profil. Rudolf Schasching ist ein herrlich aufgeblasen agierender Podesta, Gabriel Bermúdez singt den Nardo mit gefälligem Bariton.
Bedauerlich an dem schönen und verdienstvollen Mitschnitt aus Zürich ist nur, dass es keine Bonus-Tracks gibt.
Karl Georg Berg