Ottorino Respighi

La Fiamma

Olesya Golovneva, Martina Serafin, Doris Soffel, Sua Jo, Georgy Vasiliev, Ivan Inverardi u. a., Chor u. Orchester der Deutschen Oper Berlin, Ltg. Carlo Rizzi, Christof Loy (Regie)

Rubrik:
Verlag/Label: Euro Arts
erschienen in: das Orchester 12/2025 , Seite 70

Eine der zehn Opern von Ottorino Respighi (1879-1936) reizte Regisseur Christof Loy: La Fiamma. Inmitten von politischen Machtkämpfen, absolutem Wahrheitsanspruch, Dummheit mit Neigung zu abergläubischen Verschwörungstheorien und daraus erwachsender Massenhysterie verstricken sich Stiefmutter und Sohn in eine skandalöse, lebenserfüllende Liebe. Aufgeheizt durch weibliche Eifersucht und Rivalität, durchglüht von ausgelebter sexueller Leidenschaft – eben „la fiamma“ – landet das Liebespaar in einer öffentlichen Katastrophe; die menschlich letztlich überlegene Frau wird erbarmungslos abgeurteilt: „Das Volk hat gesprochen!“ – und massenhysterisch lodert am Ende ein Scheiterhaufen.
Dafür hat Herbert Murauer ein durch Schiebewände wandelbares Ambiente gebaut: mal sich in grüne Gartenlandschaft „frei“ öffnend, mal sich zu edlem Palast-Raum verengend. In zeitloser, mitunter fast evangelikal strenger Kleidung agiert ein perfekt rollendeckendes Solistenensemble. Doris Soffel wird als „Hexen-Mutter“ gleich anfangs verbrannt, die mit lyrischem Sopran schlicht jugendlich liebende Monica (Sua Jo) ins Kloster verbannt. Aus den bass-dunklen Männerstimmen von Exorzist Patrick Guetti und Bischof Manuel Funtes ragt dann der überzeugend gewichtige Bariton von Ivan Inverardi als betrogener Herrscher in Ravenna heraus – er hat sich die einst blutjunge Silvana „angeeignet“. Zur blühend unerfüllten Frau gereift, verliebt Silvana (Olesya Golovneva) sich in den jungmännlichen Stiefsohn Donello (glaubhaft Georgy Vasiliev) – eine bezaubernde Bühnenerscheinung mit mal warm schmiegsamen und dann auch glühend leuchtenden Soprantönen. Dazu bildet die eifersüchtige, durch Orthodoxie zerstörerisch fixierte Übermutter von Martina Serafin einen perfekt scharfkantig tönenden Kontrast. All dies ist dann von Regisseur Christof Loy mit faszinierend feiner Personenführung in den Nahaufnahmen der TV-Aufzeichnung (Götz Filenius) fesselnd erlebbar.
Ottorino Respighi hat sich inmitten von Mussolinis Faschismus alle Freiheiten genommen: Chorszenen mit Gregorianik; Byzanz mit Pentatonik; warm melodische Liebesphrasen von Holzbläsern und Streichern – und dann lässt Respighi Sinnlichkeit fulminant rauschhaft aufbrausen; vokale Italianità bis hin zum expressiven Schrei. Im brutalen Schauprozess hysterischer Massen zeigt sich unverblümt die Fratze gesellschaftlicher Umwälzungen. All das macht Dirigent Carlo Rizzi mit Chor und Orchester gut voneinander abgesetzt hörbar. Dennoch kann das Mithör-Denken nicht aussetzen: Respighis La Fiamma wirkt wie ein warnender Kunst-Leuchtturm.
Wolf-Dieter Peter

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